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Furbaby_Mom

Posted on 10.5.2021

*** Die ewige Sissi und ihr Kampf um Selbstbestimmung *** Michelle Marly beleuchtet mit ihrer mitreißenden Romanbiografie über den unvergessenen Weltstar Romy Schneider einen besonders interessanten Lebensabschnitt des 'Wiener Mädels', das für die Öffentlichkeit wohl ewig die jugendliche Kaiserin Elisabeth bleiben wird, nämlich jene Zeitspanne, in der Romy verzweifelt versucht, dem Image der Schnulzenkaiserin zu entfliehen und sich einen eigenen Namen am Theater zu machen. Das Werk umspannt die Jahre 1958 bis 1962 und lässt uns einen Blick hinter die Fassade der berühmten Persönlichkeit werfen. Bereits mit 14 Jahren steht die gebürtige Rosemarie Albach im Rampenlicht und beeindruckt Co-Stars und Regisseure mit ihrer selbstverständlichen, scheinbar mühelosen Professionalität und Disziplin. Eine normale Jugend mit harmlosen Vergnügungen und ersten, zaghaften Flirts bleibt ihr verwehrt, stattdessen schult man sie auf Perfektion und die wachsame Frau Mama ist rund um die Uhr an ihrer Seite. „»Lächle! Vergiss nicht zu lächeln, egal, was passiert.«“ Lange Zeit nimmt sie den Drill von Mammi und Daddy als liebgemeinte Ratschläge zum Erfolg wahr, ehe ihr ausgerechnet die Bekanntschaft mit dem rüpelhaften Filmpartner Alain Delon, der trotz seines anfangs unausstehlichen Verhaltens ihre große Liebe werden wird, die Augen öffnet und sie dazu beflügelt, sich erstmals gegen die Pläne der Eltern zu wenden. Einen vierten Sissi-Teil lehnt sie kategorisch ab, da helfen auch keine 1 Million Mark in bar, die ihr unter die Nase gehalten werden. Ihr Neustart in Frankreich, wo sie sich am Theater etablieren möchte, ist alles andere als einfach. Abgesehen von der Sprachbarriere, die ihren beruflichen Ambitionen zunächst im Weg steht, genießt Alain zwar die gemeinsame Zeit mit seinem "Puppelé" und sonnt sich in Romys Ruhm, sperrt sich allerdings gegen eine Hochzeit, die er als furchtbar bürgerlich empfindet. Lieber propagiert er freie Liebe. Auch hinsichtlich ihrer Karrierepläne befindet sich das junge Paar auf unterschiedlichen Pfaden: Alain sieht seine Zukunft im Kino, Romy möchte auf der Theaterbühne stehen. Ausnahmsweise hat ihre Mutter in Bezug auf Alain, dessen selbstverliebte, oftmals egoistische, rücksichtslose Art mich beim Lesen in den Wahnsinn trieb, recht: Er wird Romy nicht glücklich machen. Für ihn scheint das ganze Leben nur ein Spiel zu sein. „»Romylein, er ist kein Mann für dich. Alain ist viel zu schön. Den wirst du niemals für dich allein haben. Die Frauen machen es einem Mann wie diesem viel zu leicht.«“ Das Zerwürfnis mit ihren Eltern nagt sehr an der familienorientierten Romy. Zwar ist sie ein Schauspielprofi, doch um Bestleistungen abzuliefern zu können, benötigt sie zwingend das Gefühl von Sicherheit und Harmonie in ihrem nahen Umfeld. Die Tatsache, dass Magda und deren Mann immer wieder Entscheidungen über Romys Kopf hinweg treffen, ohne auf ihre Wünsche einzugehen, ärgert sie zunehmend. Ihren leiblichen Pappi hingegen, Wolf Albach-Retty, verehrt sie über die Maßen, obgleich sie sich jahrelang nicht sehen und er hauptsächlich durch Abwesenheit glänzt. Neben Alain Delon werden zwei weitere Personen Romys Weg zur Selbstverwirklichung prägen: Coco Chanel, die ihre enge Freundin und Ratgeberin wird, und der egozentrische Regisseur Luchino Visconti. Letzterer bringt Romy mental wie körperlich an ihre Grenzen und zu gerne hätte ich diesem Choleriker gehörig die Meinung gegeigt! Der Schreibstil der Autorin, die einst als Kind Magda Schneider kennengelernt hatte, ist ein Traum – eindringlich und warmherzig, bildreich und emotional. Bei vielen Formulieren kann man sich durchaus vorstellen, dass Romy diese tatsächlich gedacht bzw. ausgesprochen haben könnte. Häufig musste ich über die für Romy typisch unschuldige Wortwahl schmunzeln, etwa als sie sich im Vergleich mit den eleganten Französinnen "so klein und dick wie ein Wurm" fühlte. Viel zu früh verstarb diese beeindruckende Persönlichkeit, deren Mut zum Neuanfang - insbesondere zu Zeiten heftigen Gegenwindes seitens der erbarmungslosen Presse und der moralunterwandernden Druckausübung ihrer Familie - mich enorm beeindruckt hat. Trotz frühen Erfolges hatte es die Kaiserin der Herzen nicht leicht, haderte mit Selbstzweifeln und den hohen Ansprüchen, die sie sich selbst auferlegte. "»Im Theater und im Kino scheint mir alles zu gelingen, aber im Leben bin ich ratlos.«" Romy musste hart für ihr Glück kämpfen, blieb sich aber stets treu. Nicht nur für Fans der grandiosen Schauspielerin ist dieser wundervolle Roman absolut empfehlenswert, auch Liebhaber von historischen Frauenromanen sowie von Geschichten mit einer starken Protagonistin werden gewiss ihre Freude daran haben.

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