stricki
Unberechenbares Leben Der junge Physiker Casper führt kein glückliches Leben im pulsierenden Berlin. Er fühlt sich gefangen im Hamsterrad aus Arbeit, Schlafen, Arbeit. Er macht gerade seinen Doktor in Physik, er arbeitet an einer Weltformel, er will die Menschheit berechenbar machen. Dafür analysiert und kategorisiert er alles und jeden und verkrault damit die Menschen in seiner Umgebung. Als er seinen Zug nach München, zu seiner Mutter, verpasst, steigt er kurzentschlossen in den Zug nach Budapest. Casper bricht aus! Er nimmt sich vor, alles anders zu machen, um sich wieder lebendig zu fühlen. In Budapest lernt er den warmherzigen, klugen LKW-Fahrer Janos kennen, zieht zu Ilona in den Schuppen, obwohl die beiden wie Hund und Katze sind. Ilona ist das Gegenteil von ihm: impulsiv, launisch, oberflächlich, ohne Plan. Aber sie braucht dringend Geld, deshalb lässt sie Casper bei sich wohnen. Aber so richtig gelingt es Casper nicht, ein anderer Mensch zu werden. Er kann mit Janos philosophieren und trinken, oder sich mit Ilona streiten, das ändert kaum etwas in seinem Leben. Allerdings verändern ihn diese beiden neuen Freundschaften, er erkennt, was wichtig ist im Leben, und er macht sich daran, sein Leben neu zu ordnen, mehr auf seine Gefühle zu hören, und sich auf das zu konzentrieren, was ihm etwas bedeutet. Auf dem Weg dahin passieren ihm noch viele Abenteuer, ihm begegnen eine pyromanische Katze, ein ungarischer Wahrsager, vermeintliche Bösewichte, ein Wolf im Schafspelz und ein paar Möchtegernprinzen. Ok, die begegnen eher Ilona, aber die Begegnungen haben auch Folgen für ihn. Mein Fazit: Budapest ist ein großes Abenteuer für Casper, dessen behütetes Leben bis dahin recht reizarm gewesen zu sein scheint. Allerdings fehlte mir Tiefe und Hintergrund. Ilona ist im Grunde eine tragische Gestalt, eine junge hübsche Frau ohne Bildung, ohne Job, deren oberstes Lebensziel ein vermögender Traumprinz ist. Vom intellektuellen Casper wird sie kritisiert und gemaßregelt, ohne dass dieser sich damit auseinandersetzt, welche Chancen Menschen wie Ilona im heutigen Ungarn haben - nämlich recht wenige. Auch Janos lebt an der Armutsgrenze, mit mehreren Jobs, in einer Einzimmerwohnung in einer schlechten Gegend. Das wird leider nie thematisiert, er wird auf Liebeskummer und Sehnsucht nach Landleben reduziert. Ich hätte mir gewünscht, dass ein so scharfsinniger Kopf wie Casper die soziokulturellen und wirtschaftlichen Faktoren nicht außen vor lässt, das widerspricht ein bisschen seiner Art, alles bis ins Kleinste zu analysieren. Nichtsdestotrotz: Es ist eine warmherzige, humorvolle, lebendige Geschichte, die sich gut lesen lässt.