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„...Denn nahezu nichts nahm die Wiener Gesellschaft übler als aus der Mode gekommene oder unpassende Kleidung...“ Genau deshalb ist Henriette froh, dass ihr Arthur dafür mehr Geld zubilligt. Seit ihre Tochter Sophie als Hofdame der Kaiserin berufen wurde, muss auch Henriette entsprechend auftreten. Allerdings hat Sophie nie verlauten lassen, wie und warum sie zu dieser Ehre kam, wenn man von einer Ehre sprechen kann. Arthur schreibt es seinen Verdiensten zu. Die Autorin hat erneut ein spannendes Zeitgemälde der Wiener Gesellschaft gezeichnet. Die Geschichte beginnt kurz nach der Beerdigung des Kronprinzen. Gleich zu Beginn gibt es einige notwendige Rückblicke. Der Schriftstit ist gewohnt ausgereift und abwechslungsreich. Sophie ist schockiert von der Ärmlichkeit in der Hofburg. Anfangs langweilt sie sich, da ihr keine Aufgaben zugewiesen werden. Gruslig ist der Besuch am Grabe Rudolfs mit der Kaiserin. Hier wird eine Seite von Sisi sichtbar, die in den Verfilmungen ihres Lebens höchsten punktuell zum Tragen kam. „...Nach einer gefühlten Ewigkeit erhob sich die Kaiserin und griff nach der Fackel. Im flackernden Licht sah sie unendlich traurig aus und wirkte noch einmal um Jahre gealtert...“ Die Hofgesellschaft gleicht einer Schlangengrube. Intrigen und Missgunst sind an der Tagesordnung. Die Gunst der Kaiserin sorgt für den Neid der anderen Hofdamen. Da Sisi die Jüngste ist, wird sie zunehmend zu den stundenlangen Wanderungen von Sisi als Begleiterin hinzugezogen. Dabei öffnet sich Elisabeth nach und nach. „...Ich war einmal jung und unbeschwert, so wie Sie. Doch heute bin ich alt und müde. Ich schwinge mich nicht mehr voller Leichtigkeit in die Lüfte. Meine Flügel sind verbrannt...“ Sisi ist nicht nur müde, sie ist lebensmüde. Außerdem hat sie den Blick für die Realität verloren. Ihre Hungerkuren sorgen zwar für eine schlanke Taille, sind aber für die äußere Schönheit eher nachteilig. Ihre Unrast bringt ihren Hofstaat oft an den Rand des Möglichen, wenn kurzfristig umgeplant werden muss. Deutlich wird, welche Folgen die Vorgänge um den Kronprinz für die Beteiligte hatten. Maries Familie wird geschnitten, die Kammerzofe muss sich recht und schlecht durchschlagen. Allerdings hat es Sisi durchgesetzt, dass ein Kranz ohne Schleife von ihr am ersten Todestag auf Maries Grab gelegt werden durfte. Sophie vermisst die Besuche im Kaffeehaus ihres Onkels. Er würde dringend ihre Hilfe brauchen. Hinzu kommt, dass es auch in ihrem Elternhaus nicht zum besten steht. Ihre jüngere Schwester leidet unter den Repressalien des Stiefvaters. Richard von Löwenstein, der Sophie liebt, hadert mit seinem Schicksal. Die erzwungene Heirat mit Amalie bereitet ihm Kopfzerbrechen. Dafür aber fordert ihn seine neue Stellung. Er wird zu verschiedene Armeeteilen beordert, wenn es gilt, Unregelmäßigkeiten aufzuklären. Das wiederum wirft ein Schlaglicht auf Missstände im Heer. Gekonnt bezieht die Autorin weitere gesellschaftspolitische Ereignisse in die Handlung ein. So erfahre ich einiges über die Arbeitsbedingungen in den Wiener Fabriken und bei der Tramway. Hier kommt es zu einem Aufstand. An der Stelle wird deutlich, dass in Wien Adel nicht gleich Adel ist. Für Teile des Hochadels gilt noch: Adel verpflichtet. Andere setzen auf Gewinnmaximierung. Als die Hofintrige in Zusammenarbeit mit Amalie und Sophies Schwiegervater für die Verheiratung von Sophie auch gegen ihren Willen sorgen will, muss sie schnell handeln. Hier zeigt sich, dass Sophie sich auf ihre Freunde verlassen kann, aber selbst schon ein gewisses strategisches Geschick entwickelt. Karten von Wien, ein Personenverzeichnis und ein Quellenverzeichnis ergänzen die Handlung. In einem ausführlichen und informativen Nachwort trennt die Autorin Fiktion und Realität. Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es zeichnet ein realistisches Bild von der Kaiserin von Österreich, aber auch den Verstrickungen am kaiserlichen Hof.