marcello
Ich lese definitiv zu wenig Bücher von People of Color. Das kann man auf der einen Seite so auslegen, dass ich von der Hautfarbe unabhängig zu einem Buch greife, aber man kann es auch deutlich negativer auslegen, dass es auf den deutschen Buchmarkt immer noch nicht genug Stimmen von People of Color schaffen. Da ich von Angie Thomas im Jugendbereich schon sehr begeistert, aber thematisch auch erschüttert werden konnte, wollte ich nun Elizabeth Acevedo eine Chance geben, die nach „Poet X“ mit „Soul Food“ zum zweiten Mal in Deutsch veröffentlicht wurde. Bei „Soul Food“ musste ich mich definitiv erst an den Erzählstil gewöhnen, denn es gibt immer wieder sehr kurze Kapitel. Dazu werden zwischendurch Kapitel eingeschoben, die nicht die Handlung voranbringen, sondern vielmehr als Erklärung dienen. Das ist definitiv ein seltener Stil, den ich zu lesen bekomme. Auch wenn ich ihn nach Beendigung des Buchs nicht als Favorit sehen würde, so muss ich doch zumindest gestehen, dass es dem Geschehen eine eigenwillige Dynamik gegeben hat. Zudem gewöhnt man sich beim Leben definitiv an die Stilistik und findet gut hinein. Durch die recht knappe Erzählweise ist auch eine gewisse Oberflächlichkeit nicht zu leugnen. Man kommt als Leser*in definitiv nicht so nah an die Figuren rund um Emoni dran, wie man das aus anderen Lektüren kennt, aber dafür ist mir auf der anderen Seite aufgefallen, dass es Acevedo an vielen Stellen gelungen ist, mit nur wenigen Worten eine Atmosphäre zu kreieren, die Verständnis und Mitgefühl erzeugt. Deswegen hatte ich letztlich definitiv das Gefühl, dass ich verstanden habe, wer Emoni ist und wer die ihr lieben Menschen sind. Es hat sicherlich auch geholfen, dass die aufgegriffenen Themen nahbar waren. Für mich persönlich ist Kochen ein riesiges Thema. Ich bin zwar keine so intuitive Köchin wie Emoni, aber dennoch konnte ich ihr Bedürfnis sehr gut nachvollziehen, über ihr Gekochtes etwas beim Esser zu erzeugen. Es ist auch absolut rübergekommen, dass es ihr Traum ist und das konnte berühren. Ein wichtiges Thema war natürlich auch ihre Herkunft, als halbe Puerto Ricanerin und als Kinder einer schwarzen Mutter, die sie nie persönlich kennengelernt hat, und dass sie damit kulturell oft zwischen den Stühlen steht. Ebenso die Schwangerschaft in der Jugend, die Liebe in der Jugend. Das Buch hat definitiv vieles geboten, das nachdenklich macht. Bei all dem war es mir vor allem wichtig, dass ich Emoni verstehen kann und dass sie dabei durchweg sympathisch rübergekommen ist, war dann ein netter Bonus. Ich habe es auch genossen, dass die Handlung trotz eingestreuter schwerer Thematik nie auf übermäßige Dramatik gesetzt hat. Sei es der Vater ihrer Tochter Emma, sei es die abgehobene Oma und seien es die Geldsorgen, all das hätte dafür sorgen können, dass die Handlung in ein tiefes emotionales Loch abdriftet, aber stattdessen war die Handlung stets von Hoffnung geprägt. Deswegen war das Buch definitiv auch Nahrung für die Seele, weil es mitten in der Realität wie eine warme Umarmung war. Fazit: Ich habe mein erstes Buch von Elizabeth Acevedo sehr genossen, weil es thematisch mit Kochen und vielem mehr meine eigene Lebenswelt getroffen hat und somit berührt hat. Es war eine Geschichte mitten aus dem Leben, die trotz des zeitweiligen Ernst der Lage stets Hoffnung versprüht hat. Einzig der Erzählstil war etwas gewöhnungsbedürftig, hat aber für Dynamik gesorgt.