Lesen macht glücklich
9 Magazine, 9 Frauen Spitzenreiterinnen handelt von neun Frauen und deren sehr unterschiedliche Geschichten, die lose miteinander verknüpft sind. Es geht um die Liebe, um eine Hochzeit, ein Erbe, um Gewalt in der Ehe, ungewollt unerfüllte Kinderwünsche, Trennung und einiges mehr und wie die Frauen mit diesen Situation im Einzelnen umgehen (können). Das Besondere an diesem Roman ist, dass jede der neun Frauen den Namen eines Frauenmagazins bekommen hat und so klingt auch dieses Buch, wie aus einem Frauenmagazin entnommen. Wobei dieser Ton ironisch bis sarkastisch gedacht ist, denn nichts, was in diesem Buch gesagt wird, ist rosarot angefärbt oder mit Tüll und Seide umwickelt. Vielmehr zwickt und zwackt es an allen Ecken. Es kratzt wie ein schlechter Rollkragenpullover, selbst in den eigentlich schönen Episoden in denen es um die schönste Party im Leben eines Paares geht. Jovanna Reisinger hat mit Spitzenreiterinnen einen Episodenroman geschrieben, der die Frauen in den Vordergrund rückt, ihre Probleme und Wünsche in den Mittelpunkt stellt und mit einem Brennglas da drauf zeigt. Und die Männer? Dazu kommen wir gleich. Eine Hochzeit und acht andere alltägliche Fälle Die Klammer für diesen episodenhaften Roman bildet Lauras Hochzeit beziehungsweise am Anfang die Verlobung, die sie mit ihrer besten Freundin Verena feiert. Die beiden sind in einem Café und stoßen mit Sekt auf diese erfreuliche Nachricht an. Doch wie es in den beiden Frauen innen drin aussieht, was sie wirklich denken, dass erfahren wir ganz schnell. Egal ob Laura oder Verena, das, was sie nach außen zeigen, denken sie nicht wirklich. Die Freude von Verena für ihre Freundin ist gespielt, da Verena immer noch keinen Mann an ihrer Seite wähnt und damit auch keine Hochzeit, geschweige denn Kinder. Die bissigen Kommentare, die sie sich denkt, zeigen deutlich, wie wahrhaft ihre Freude gegenüber Laura ist. Aber auch, was Laura über ihre Freundin Verena denkt, ist nicht gerade von schönen Worten geprägt. Die Frage, ob Kinder bekommen oder nicht, die stellt sich dagegen bei Lisa nicht, denn bei ihr klappt es einfach nicht, weshalb sich ihr Freund nach der dritten Fehlgeburt von ihr trennt beziehungsweise Lisa ihn nach gegenseitigen Vorwürfen rausgeworfen hat. Das endet dann in einem ganz speziellen Abend in einem Spezialitätenrestaurant, bei dem diverse Essensbestandteile durch die Gegend fliegen. Doch diese Beziehung litt an ganz anderen Dingen, bei dem der unerfüllte Kinderwunsch nur die Spitze des Eisbergs war, wie ein Telefonat bei der ehemaligen Fastschwiegermutter aufzeigt. Dieser ganz speziellen Situation im Restaurant wohnt auch Tina bei. Sie sieht wie Lisa aufbegehrt und wie es diese sichtlich befreit und sie wünscht sich, sie wäre an ihrer Stelle, ist sie doch in einer horrorartigen Situation gefangen, einer Ehehölle, wie es sie tausendfach in Deutschland gibt. Sie wird im Verborgenen von ihrem Ehemann tyrannisiert, geschlagen und psychisch wie physisch fertig gemacht. Sie kann sich nie dagegen wehren und als sie versucht, hat das sehr schlimme Folgen, denn ihr Mann dreht alles so, dass es aussieht, dass Tina die Verrückte ist und sich alles nur einbildet. Neben diesen vier Beispielen, werden noch 5 andere Schicksale von Frauen mehr oder minder beleuchtet. Mal sanft, weil Verliebtheit im Spiel ist, mal mit dem Augenzwinkern, die das Alter mit sich bringt und mal mit Befreiung, da eine Erbschaft Erleichterung bringt. Und über allem schwingt in allen Geschichten eine Unterdrückung oder Abschätzigkeit mit, die immer von den Männern ausgeht.  Festzementierte Rollenbilder Dieses Buch bereitet Bauchschmerzen, in vielfacher Hinsicht, denn es zeigt mit einem Brennglas in jeden Winkel verschiedener Themen, die Frauen beschäftigen und auch Angst machen. Die Autorin behandelt vieles in diesem Buch bewusst mit einem sarkastischen Ton, mal fein, mal mit dem Holzhammer mitten ins Gesicht, um auf die festzementierten Rollenbilder aufmerksam zu machen, die bei beiden Geschlechtern immer noch ganz tief verankert zu sein scheinen. Vielfach muss man schlucken, was die Frauen in diesen ganzen Episoden ertragen müssen. Sei es untereinander oder weil die Männer sich wie absolute Widerlinge verhalten. Apropos Männer, die hier gar nicht gut wegkommen. Allesamt werden sie auf den Anfangsbuchstaben ihrer Vornamen reduziert oder gar nicht erst benannt. Sie stehen größtenteils als Synonym für gewalttätige Ehemänner, hirnlose Volltrottel, mamiverwöhnte Bengel oder neunmalkluge Kotzbrocken. Diese Typen sind vielfach für die Strukturen verantwortlich, in denen sich die Frauen wiederfinden und nicht aus ihnen herauskommen. Da wird selbst die Hochzeit oder die Junggesellenabschlussparty zum Balztanz für ein widerliches Machogehabe. Jovanna Reisinger legt mit diesem Buch den Finger in die Wundern, die immer wieder in die weibliche Welt geschlagen werden. Dabei wertet sie nicht, sondern bringt alles mit einer Sprache aufs Tablett, die den ganzen Frauenmagazinen alle Ehre gereicht, die in den Namen der Frauen Widerhall finden. Doch diese eher säuselnde Sprache steht dem Erzählten zuwider und verstärkt somit den Effekt, die verschiedenen Szenen ins Gedächtnis zu brennen. An einigen Stellen kann man mit den Frauen vielleicht noch mitlachen, doch oft bleibt dieses im Halse stecken. Da werden Situationen beschrieben, die für Entsetzen sorgen oder auch Mitgefühl auslösen, doch für alle kann man Verständnis aufbringen. Das einzige, was es zu bemängeln gibt ist, dass alle Personen aus einem weißen, meist privilegiertem Umfeld stammen. Da hätte etwas mehr Diversität dem Buch noch etwas mehr Wucht verleihen können. Doch für wen ist dieses Buch den geeignet? Es ist eigentlich vorbestimmt, dass sich vor allem Frauen dieses Buch aneignen werden. Doch für viele wird das Beschriebene nur Bestätigung sein. Vielmehr sollten dieses Buch Männer lesen, um mal einen Einblick in das Innenleben von Frauen zu bekommen. Allerdings muss hier unterschieden werden zwischen denen, die diese Geschichten verstehen, adaptieren und vielleicht bei sich im Alltag anwenden, um auf die Bedürfnisse ihrer Frauen noch besser eingehen zu können, und denen, die dieses Buch nur mit Samthandschuhen anfassen würden, wenn überhaupt, und sich nichts an sich ändern würden. Und genau diese zweite Kategorie wird in diesen Episoden zuhauf angezählt. Oder kurz ausgedrückt: Liebe Männer, Lesen! Liebe Frauen, ebenfalls, allerdings kommen euch viele Situationen allzu vertraut vor. Leider! Dieses Buch leuchtet von innen heraus nach außen, was die golden gesetzten Lettern auf dem Buch verdeutlichen. Doch dieses Leuchten soll nicht über die vielfältigen strukturellen Probleme hinwegtäuschen, denen sich Frauen im Alltag ausgesetzt sehen. Mit dem letzten Abschnitt aus dem Buch möchten wir diese Besprechung abschließen und noch ergänzen, dass es schön wäre, wenn endlich mal die Männer einen Schritt zurücktreten könnten, um den Frauen mehr Raum zu geben. Das wäre schön. Und ein Brautkleid ist ein klares Signal: Da geht's um was. Die wagt den Schritt. Die hat jetzt eine neue Zukunft. Na, hoffentlich hat die sich das gut überlegt. Schließlich ist jede selbst für ihr Glück verantwortlich. Und für ihr Unglück ebenso. Hoffentlich schlägt jetzt die Stunde der Frauen.