tintenwelten
Das hätten sich die Erdmännchen des Berliner Zoos niemals träumen lassen: weil das Geld fehlt, werden sie kurzerhand an einen Baumarkt in Oslo verscherbelt. In letzter Sekunde gelingt ihnen eine halsbrecherische Flucht und letztendlich finden sie sich im deutschen Wald wieder. Doch von Ruhe und Entspannung keine Spur, denn schnell bahnen sich Konflikte an. Die Waldbewohner, allen voran Keiler Herrmann, hätten es nämlich gerne, dass der deutsche Wald auch deutsch bleibt. Da stören die fremden Erdmännchen selbstredend das Idyll. Es ist der sechste Teil der Ray & Rufus Reihe und kommt ebenso lustig und amüsant daher wie seine Vorgänger, die allerdings eher Krimis sind. Zusammen mit dem menschlichen Detektiv Phil lösen die Erdmännchen-Brüder Ray und Rufus dort einige knifflige Fälle, erleben spannende und urkomische Abenteuer. In „Der Wald ruft“ geht es zwar auch wieder humorvoll daher, allerdings weiß man manchmal nicht, ob man nicht doch vielleicht eher weinen sollte. Denn die Clanmitglieder werden unfreiwillig zu Flüchtlingen aus ihrer Heimat, verlieren dabei alles und müssen sich als Migranten im Wald integrieren und bewehren. Dabei stoßen sie mitnichten nur auf Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, sondern werden eher mit jede Menge Misstrauen, Vorurteilen, Fremdenfeindlichkeit und Hass konfrontiert. Die Ungerechtigkeit schreit förmlich zum Himmel, sodass aller Charme und Humor von Ray, Rufus und Co. doch arg getrübt wird. Dabei sind vor allem besagte Erdmännchen sowas von putzig und possierlich. Ray ist loyal, nicht immer mutig, aber doch bereit über seinen Schatten zu springen, wenn es nötig ist. Für seine Familie und Freunde würde er alles tun. Sein Bruder Rufus ist das Genie des Clans, er kann sogar lesen und ein Smartphone bedienen. Natürlich hat er auch kein Problem damit diesen Umstand anderen bei jeder Gelegenheit unter die Nase zu reiben. Clan-Chef Rocky dagegen ist - naja, etwas schwer von Begriff - dafür aber wagemutig und besonders in diesem Band teilweise sogar ziemlich cool drauf. Die Bewohner des Waldes hingegen sind nicht alle sympathisch. Dort wird aufgewiegelt, angeprangert, fremdenfeindliche Parolen gegrunzt (besonders eben von einer Rotte Wildschweinen). Andere tun nicht unbedingt etwas schlimmes, sehen aber einfach weg und grade dieses Nichts-Tun ist auch nicht wirklich besser. Es handelt sich um eine Gesellschaftssatire, in der allerdings Erdmännchen die Hauptrollen übernehmen. Hier trifft also Humor auf Ernsthaftigkeit. Alles wird überspitzt dargestellt, was teilweise ziemlich erschreckend ist und zum Nachdenken anregt. Auf der anderen Seite unterhält der Autor aber eben auch durch seine goldigen Protagonisten, auf deren Seite man sich gerne schlägt, auch wenn selbst die sich nicht immer vorbildlich verhalten. Bisher habe ich alle Teile der Reihe als Hörbuch gehört, was ich auch jedem nur wärmstens empfehlen würde! Christoph Maria Herbst erweckt die Tiere gekonnt zum Leben. Jeder Charakter erhält seine eigene Stimme, was alleine schon schreiend komisch ist. Für mich macht grade diese Umsetzung die Geschichte besonders hörenswert und nochmal doppelt so amüsant als sie sowieso schon wäre.