schnaeppchenjaegerin
Als Karlas Schwester Marie überraschend und viel zu jung im Alter von 32 Jahren bei einem Unfall in New York stirbt, reist Karla nach der Beisetzung in ihrer Heimat, einer Kleinstadt in Nordbayern, nach New York, um dort die Wohnung ihrer jüngeren Schwester aufzulösen. Die beiden standen sich schon als Kinder sehr nahe und auch als Marie Karriere als Fotografin machte und zunächst nach München, Boston und New York zog, haben sie stets die Verbindung gehalten und täglich telefoniert. Karla hat Marie in New York häufig besucht und glaubte, ihrer Schwester wirklich nahezustehen. Als sie nun in Maries Wohnung verstörende Fotos von Maries Nachbarn findet und mit Freunden und Bekannten Maries spricht, tun sich immer mehr Geheimnisse auf. Karla fragt sich zurecht, ob sie ihre Schwester wirklich kannte, weshalb sie ihr nicht alles erzählen konnte und was sie ihr vielleicht darüber hinaus noch verschwiegen hat. Der Roman wird abwechselnd aus der Perspektive von Karla - die Wochen nach Maries Tod - und Marie - die Monate vor ihrem Tod - geschildert. Dabei gibt es in beiden Erzählsträngen Rückblenden und Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse und Gespräche als Kinder und junge Erwachsene. Man spürt das enge Band, das die Schwestern auch über Tausende Kilometer hinweg verband. Umso spannender ist es herauszufinden, was sie letztlich doch unbemerkt auseinanderdriften ließ. Die Geschichte handelt zunächst von der Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen. Der Fokus wird jedoch bald auf die Beziehung der beiden unterschiedlichen Schwestern gelegt: Marie, eine erfolgreiche Fotografin, die ihre Heimat verlassen hat, um Karriere zu machen, früh geheiratet hat und vor ihrem Tod bereits vier Jahre geschieden war und Karla, die als Lokaljournalistin zufrieden ist und Bayern nur für ihre Reisen zu Marie verlassen hat. Trotz ihrer unterschiedlichen Persönlichkeiten liebten sie sich innig und konnten ohne die andere nicht sein: "Ich bin nicht ich ohne dich". Die melancholische Stimmung zieht sich durch den gesamten Roman und liegt nicht nur in der allgemeinen Trauer um Marie begründet. Nach der Trauer und der Wut über Maries Tod ist die Enttäuschung bei Karla vorherrschend, dass Marie ihr bewusst Dinge aus ihrem Leben verschwiegen hat. Es macht sie traurig, dass ihre Schwester offenbar nicht das Gefühl hatte, sich ihr anvertrauen zu können und dass sie damit auch keine Chance hatte, Marie bei Problemen helfen zu können. Die Verzweiflung und das Ohnmachtsgefühl sind sehr eindringlich beschrieben. So entwickelt man auch Verständnis für Karla, die sich in New York auf der Spurensuche nach ihrer Schwester nicht immer ganz korrekt verhält. Beide Schwestern sind authentische Figuren, wobei man Karla schneller näher kommt, als Marie, von deren Geheimnissen man als Leser auch nur peu à peu erfährt. Die Frage nach den ominösen Fotos als auch die Umstände von Maries Tod sorgen für Spannung, denn nach all den Offenbarungen ist es fraglich, ob der Tod beim Überqueren einer roten Ampel wirklich ein Unfall war. "So wie du mich kennst" besticht durch eine sensible Charakterzeichnung, lebensnahe Schicksale und die Frage, ob man einen anderen Menschen jemals wirklich kennt. Die Geschichte ist emotional, aber nicht rührselig geschildert und fesselt durch die Geheimnisse, die Marie umgaben und Karlas Suche nach Wahrheit und Gewissheit.