Lenislesestunden
“An manchen Menschen, manchen Ereignissen verzweifelt man. Sie sind wie Guillotinen, die das Leben zweiteilen, in das Tote und das Lebendige, das Davor und das Danach.” - S. 11 Ludwik und Janusz lernen sich bei einem Ernteeinsatz im Anschluss an ihr Studium kennen. Ihre Liebe müssen sie von Anfang an verheimlichen, denn im Jahr 1980 ist sie in Polen zwar nicht offiziell verboten, aber trotzdem gesellschaftlich geächtet und ein Risiko. Während Ludwik aus einer Familie stammt, die dem Widerstand immer nah war, fügt sich Janusz in das sozialistische System und tritt im Anschluss an das Studium einen Job bei der Zensurbehörde an. Hin- und hergerissen zwischen seinen politischen Überzeugungen und seinen tiefen Gefühlen für Janusz muss Ludwik sich entscheiden, welchen Weg er einschlägt: ein Leben mit Janusz, erleichtert durch die Stellung, die dieser sich mit seinen Kontakten erarbeitet hat, jedoch immer in dem Wissen, nicht wirklich frei zu sein, oder ein Leben nach seinen eigenen Überzeugungen, das die Beziehung zwischen den beiden jedoch unmöglich machen würde. Tomasz Jedrowski schafft es in “Im Wasser sind wir schwerelos” sehr elegant die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen des Landes mit einer eigentlich wunderschön beginnenden und sich dann immer dramatischer entwickelnden Liebesgeschichte zu verknüpfen. Die Geschichte wird aus Ludwiks Sicht erzählt, eindringlich, aber trotzdem poetisch, vor allem die stillen Momente und leisen Tönen werden unheimlich gut in Worte gefasst: “Ein seltsames Schweigen entstand zwischen uns, als stünde etwas auf der Kippe und versuchte zu entscheiden, in welche Richtung es fallen sollte.” - S. 57 Ich habe bewusst langsamer gelesen als sonst, um diese schönen Sätze wirken zu lassen und jedes Wort auszukosten, war ergriffen und gleichzeitig völlig gefesselt von den Einblicken in das Leben in Polen in den 1980er Jahren und den politischen Entwicklungen wie der beginnenden Solidarność-Bewegung. Sehr, sehr lesenswert!