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Posted on 24.4.2021

*Außergewöhnliche Lektüre* Mit „Krass“ hat der deutsche Autor und Georg-Büchner-Preisträger Martin Mosebach einen äußerst opulenten und sprachgewaltigen Roman vorgelegt, in dessen Mittelpunkt der titelgebende, sehr ambivalente Protagonist „Ralph Krass“ steht. Sehr versiert und mit erstaunlich aktuellen Bezügen entwirft Mosebach in seinem dreiteilig angelegten Roman ein faszinierendes Portrait eines für seine Zeit typischen machtgierigen Patriarchen und Vertreter des Stereotyps „Alter Weißer Mann“ und lässt uns schließlich an seinem Niedergang teilhaben. Die drei unterschiedlichen Teile spielen auf drei Zeitebenen in den Jahren 1988, 1989 und 2008 und sind angesiedelt in drei Ländern, so dass wir den Figuren von Neapel über ein Provinzkaff in Frankreich bis nach Kairo folgen, wo schließlich das etwas surreal anmutende Finale mit Krass sowie Lidewine und Jüngel stattfindet. Dem Aufbau einer klassischen Sonate folgend sind die drei stimmungsmäßig sehr verschieden gelagerte Teile entsprechend mit Allegro imbarazzante, Andante pensieroso und Marcia funebre betitelt. Anfangs musste ich mich erst in Mosebachs eleganten, etwas altmodisch wirkenden Erzählstil und seine sehr differenzierte, anschauliche Sprache hineinfinden, doch schon bald war ich von der Lebendigkeit und Vielfältigkeit seiner Bilder und Beschreibungen sowie der sehr prägnanten Schilderung seiner Charaktere fasziniert. Es ist eine vielschichtige, recht undurchsichtige Geschichte mit vielen Nebenfiguren, Verweisen und Verflechtungen, die mich zunehmend in ihren Bann gezogen hat. Zuweilen aus Sicht eines allwissenden Erzählers, meist aber auch der Perspektive von Krass` devoten Adlatus und rechter Hand Dr. Jüngel lernen wir den verschwenderischen, skrupellosen Machtmenschen und dubiosen Geschäftemacher Ralph Krass mit seinem großkotzigen Hang zur Dekadenz zu seiner „Blütezeit“ inmitten seiner illustren Entourage kennen, deren Gesellschaft er sich gönnerhaft erkauft hat. Facettenreich und mit vielen spannenden Leerstellen skizziert Mosebach seine sehr unsympathische, aber hochinteressante Hauptfigur, von der man recht schnell ein lebendiges Bild vor Augen hat und unwillkürlich auch Parallelen in lebenden Vertretern seiner Spezies findet. Sehr gelungen sind auch die Einsichten in die Gefühls- und Gedankenwelt der verschiedenen Figuren, die Krass umkreisen, ihre ambivalenten Beziehungen zueinander und die aufschlussreichen Schilderungen der sich allmählich einstellenden Machtverhältnisse – ein äußerst faszinierendes und sehr entlarvendes Panoptikum hat Mosebach hier sehr prägnant eingefangen. Gefesselt verfolgt man im ersten Teil die sich zunehmend verselbstständigende Dynamik und amüsiert sich über die junge selbstbewusste und unerschrockene Lidewine, die sich ihre ganz eigenen Spielregeln im Umgang mit Krass herausnimmt. Im zweiten Teil lernen wir nun den mittlerweile abgestürzten Unglücksvogel Dr. Jüngel in einer tiefen Sinnkrise und mit all seinem Selbstmitleid über seine ausführlichen Tagebuchaufzeichnungen kennen, doch zugleich bekommt die Geschichte durch sehr überraschende wie rätselhafte Enthüllungen über Krass auch einen ganz neuen Dreh und liefert sehr aufschlussreiche neue Zusammenhänge. Im letzten Teil, dem Trauermarsch, spitzt sich die Handlung im morbid-apokalyptischen Setting des flirrenden Kairo, wo sich die drei Schlüsselfiguren -Lidewine als Galeristin, Dr. Jüngel als Professor für Urbanistik und Krass - in veränderter Rollenkonstellation zufällig wieder begegnen, immer mehr zu und lässt uns schließlich den kläglichen Untergang des einst so mächtigen Titelhelden miterleben. FAZIT Ein opulenter, tiefgründiger und beeindruckender Roman über einen überaus unsympathischen Machtmenschen und seinen unabwendbaren Untergang. Raffiniert und sehr atmosphärisch erzählt, mit faszinierenden Charakteren und bildgewaltigen Beschreibungen – allerdings recht anspruchsvoll und etwas überladen geschrieben!

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