Maya Rottenmeier
Du bist genau richtig, wie du bist! Ich brauche Ablenkung: Nach einem Buch mit schwerem Inhalt möchte ich unbedingt auf andere Gedanken kommen und wähle bewusst diese Geschichte aus, in der Hoffnung, leichte und angenehme Unterhaltung zu finden: In dieser Story stehen Charlie, 18 Jahre alt und ihr bester Freund Eric, sowie Jace, 18 Jahre alt und Kapitän der Baseballmannschaft und seine Zwillingsschwester Leila im Mittelpunkt. Das Buch ist leicht, es ist nett, aber es reißt mich nicht mit. Die Umsetzung: Der Schreibstil liest sich flüssig, leicht und das Buch bietet mir etliche romantische Augenblicke, die ich genieße. Charlie wirkt an einigen Stellen naiv, aber ich fühle mich wohl mit ihr. Ebenso mit Jace. Er ist ein wunderbarer Teenager, den ich gerne fest in die Arme schließen möchte. Das kann ich nicht von allen Jungs aus Charlies Freundeskreis sagen. Oram schenkt mir ein gelungenes Setting und so sehe ich die meisten Szenen lebhaft vor Augen. Das Buch schenkt mir ein angenehmes Grundtempo und Dialoge, die mich zum Lachen bringen. Es ist eine Story der leisen Töne und bietet keine aufregenden Momente, die meinen Herzschlag beschleunigen, aber das ist völlig okay. Ich kann abtauchen und mich treiben lassen. Die Geschichte wird aus Charlies Ich-Perspektive im Präsens geschildert. Was nicht gelungen ist: Die Geschichte hat keinerlei Tiefe und nicht alle Figuren agieren wie junge Erwachsene. Im Buch wird eine Prüderie zur Schau gestellt, die konträr zu den volljährigen Protagonisten steht. Die Rolle ihrer Kumpels ist an manchen Stellen fragwürdig. So wenig Empathie ist erschreckend und für mich sind es keine Freunde. Dazu verletzen sie Charlie zu oft. Was für mich nicht akzeptabel ist: Der innere Konflikt von Charlie überzeugt mich nicht und liest sich konstruiert. Für mich passt die Art der Selbstfindung nicht zu einer achtzehnjährigen. Mit dreizehn Jahren wäre ich eher einverstanden. Sie hadert damit, nicht normal zu sein, weil sie einen Männersport ausübt und sich nicht zwingend wie ein Mädchen kleidet und schminkt? Ernsthaft? Mein Kopf wackelt beim Lesen häufig vor Unglaube, was hier für ein unzeitgemäßes Bild an die junge Leserschaft vermittelt wird. Mit diesen klischeehaften Ansichten kann ich mich nicht identifizieren. Ich war als Kind und Teenie immer mehr Junge als Mädel, aber habe das nie als „Andersartigkeit“ gesehen. Ich bin stolz darauf, wie ich war und heute bin. Und früher wie heute style ich mich durchaus Klamotten technisch auf, komplett ohne Schminke und High Heels. Ich sehe mich in jeder Sekunde meines Lebens als Vollblutfrau. Warum auch nicht? Das geht wunderbar in legeren Schlabberklamotten. In den Seiten staubt es gewaltig: Das Buch vermittelt derart altbackene Geschlechtsstereotypen, das sich meine Nackenhärchen aufstellen. Die Zeit, die Welt in Himmelblau und babyrosa einzuteilen, ist zum Glück vorbei. Doch was beim Gendermarketing funktioniert, klappt ebenso in Büchern. Es ist mehr als bedauerlich, dass sich dieses antiquierte Gedankengut noch immer in der Gegenwartsliteratur hält und damit der jungen Zielgruppe suggeriert, dass nur das „normal“ ist und alles andere eben nicht. Und dieses beschriebene „Kichern“ und laute „Quietschen“, oh man, da bin ich so wenig Frau, denn das nervt mich nur. Mein Fazit: „Girl at Heart“ ist eine nette, kurzweilige und klischeebeladene Lovestory, die wenig Überraschungen bietet. Der gelungene Schreibstil zieht mich spielerisch durch die Seiten und entführt mich in Windeseile in eine andere Welt. Oram vermittelt historische und zum Glück längst überholte Botschaften an ihre junge Leserschaft, was ich nicht gutheiße. Charlies Konflikt liest sich überdramatisiert. Wie kann etwas falsch sein, das sie selbst so sehr liebt. Und wie kann sie etwas sein, das sie nur mit Schminke, neuen Klamotten und Gekicher erreicht, was sie ohne nicht ist? „Girl at Heart“, es ist stellenweise süß, es ist unschuldig, es ist oberflächlich, es ist prüde, es ist verstaubt und es ist so gar nicht mein Buch. Aufgrund des gelungenen Schreibstils und einiger schöner Lesemomente erhält das Buch 3 Sterne von 5. Wegen der für mich nicht annehmbaren und äußerst fragwürdigen Botschaften fällt es mir schwer, eine Leseempfehlung auszusprechen.