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breonna

Posted on 17.4.2021

Mehr Philosophie als Reisebericht. Ich bin etwas hin und hergerissen, was dieses Buch angeht. Wahrscheinlich weil meine Erwartungen nur zum Teil erfüllt wurden. Ich wollte etwas über die Welt des Himalaya, das harte Leben der Menschen und Tiere und über die Arbeit als Tierfotograf erfahren; vielleicht ein paar der dabei entstandenen Fotos zu sehen bekommen. Aufgrund der Beschreibung als „meditative Reise“ hatte ich durchaus mit ein paar philosophischen Abschnitten gerechnet, aber im Vordergrund stand für mich der Reisebericht, das eintauchen in diese fremde, karge, klirrend kalte Welt. Sehr gut gelungen ist Tesson meiner Meinung nach die Beschreibung der Landschaft. Die Stille und Weite, die schroffen Berge und wie die Kälte alles Leben verlangsamt, all das konnte ich beim Lesen förmlich spüren. Auch die Passagen über die gesichteten Tiere und über die wenigen Menschen, denen die kleine Gruppe auf ihrer Reise begegnet ist, fand ich sehr schön und interessant. Ich war beeindruckt von der unendlichen Geduld, die es erfordern muss, stunden- und tagelang auf der Lauer zu liegen. Leider driftet der Autor dazwischen immer wieder in lange philosophische Ausführungen ab, die in Summe wohl fast das halbe Buch einnehmen. Es geht ins Religiöse, Metaphysische und Persönliche (seine Beziehung zu einer Frau, die er trotz Trennung noch immer anbetet). Zum Teil fiel es mir schwer, seinen Gedankengängen zu folgen. Der Witz und leichte Sarkasmus, den er am Anfang noch an den Tag legt („Atmen durfte ich – das einzige Zugeständnis.“, S.11), geht unterwegs verloren. Enttäuscht hat Tesson mich auch mit seinem Blick auf die Wissenschaft. Er kritisiert sie als überheblich und poesielos. Offenbar haben er und Munier schlechte Erfahrungen gemacht. (Die wissenschaftlichen Namen der Tiere verwendet er hingegen sehr gern.) Ich bin selbst Wissenschaftlerin und finde, dass man Kunst und Wissenschaft mit ihren ganz verschiedenen Herangehensweisen und Zielen einfach nicht vergleichen kann. An einer Stelle schreibt er: „Im Dào hieß es: «Die Bewegung siegt über die Kälte. » So lautete auch der Erste Hauptsatz der Thermodynamik.“ (S. 78) Vielleicht habe ich den Witz nicht verstanden oder in der Schule nicht aufgepasst, aber den Ersten Hauptsatz hatte ich anders in Erinnerung. Trotz der schönen Naturbeschreibungen summieren sich für mich einfach solche kleinen Ärgernisse. Fotos gibt es in diesem Buch leider auch kaum zu sehen. Schade. Daher vergebe ich nur drei Sterne.

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