Petzi_Maus
fesselnder und ergreifender Debütroman über 4 Generationen Frauen; eine bedrückende Vergangenheit und verschollene Bilder Die einzige Verwandte der 27-jährigen Hannah aus Berlin ist ihre Großmutter Evelyn, die mit fast 100 Jahren nur noch auf das Ende wartet. Doch eines Tages erhält Evelyn ein Schreiben einer Anwaltskanzlei aus Israel, in dem Evelyn als Erbin eines geraubten und verschollenen Kunstschatzes genannt wird. Evelyn will damit jedoch nichts zu tun haben und auch nicht über die Vergangenheit sprechen, und so macht sich Hannah auf die Suche nach ihrer jüdischen Familie, von der sie bisher nichts wusste. Dabei erhält sie ungewollte Hilfe. Meine Meinung: Die unaufgeregte Schreibweise der Autorin und die zwei Erzählstränge machen dieses Buch besonders. Ich mag Bücher mit Zeiten- und Perspektivenwechsel, und hier liest man abwechselnd in der Gegenwart aus Sicht von Hannah, und in der Vergangenheit, die die Jahre von 1926 bis 1950 umfasst. Nach und nach laufen die beiden Stränge zusammen und für den Leser fügen sich peu à peu alle Puzzleteile zu einem Ganzen. Man muss jedoch sagen, dass die Vergangenheit unfassbar fesselnd ist, was der Autorin bei der Gegenwart leider nicht so ganz geglückt ist. Nichts desto trotz war das Buch in seiner Gesamtkomposition ein Lesegenuss. Die Charaktere polarisieren: die beiden Hauptfiguren Hannah und Evelyn waren mir nicht sehr sympathisch, aber das Geschehen drumherum und die schwierigen Mütter-Töchter-Beziehungen waren einfach nur bewegend. Die vier Frauen dieser Familie teilen ähnliche Schicksale. Und wieder mal hätte man vieles verhindern können, wenn die Familienangehörigen einfach nur miteinander geredet hätten; so traurig. Andererseits gibt es viele tolle und empathische Figuren, wie zB der alte Itzig Goldmann und Jörg Sudmann, der Hannah bei ihrer Suche helfen will und der von einem nervigen Menschen zu einem wundervollen Freund wird. Die Entwicklung der Charaktere sowie die bedrückende Darstellung der NS-Zeit sind stimmig und werden eindringlich, jedoch ohne bewertende Untertöne dargestellt. Die beklemmende Vergangenheit weckt viele Emotionen und man bangt um die Schicksale. Es gab jedoch leider eine Szene, die für meinen Geschmack (und gerade für mich als Mutter) mehr als unnötig war. Grauenvoll, bedrückend und ohne Mehrwert für den Weitergang der Geschichte oder die Entwicklung der Personen. Das fand ich sehr schade. Toll ist natürlich der direkte Bezug zum Titel, da eins der verschollenen Bilder von Senta, Evelyns leiblicher Mutter, aus dem Gedächtnis so beschrieben wurde: "Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid". Dieses Bild ist das wichtigste unauffindbare Bild, als Leser erfährt man in der Vergangenheit zu großen Teilen, was damit passiert, jedoch Evelyn, für die es gedacht ist, wird es von ihrer Tante Trude verschwiegen, bis es zu spät ist. Den Einblick in die Provenienzforschung fand ich spannend und interessant. Das Ende ist einerseits gelungen, da es authentisch ist und alles andere unglaubwürdig und kitschig gewesen wäre, und sich Hannah mit Evelyn und ihrer Vergangenheit ausgesöhnt hat. Trotzdem hätte ich mir ein bisschen mehr Informationen gewünscht, und auch, wie es mit Hannahs neuer Zukunft weitergeht. Fazit: Ein bedrückender und ergreifender Roman über 4 Generationen von Frauen mit Geheimnissen und einem ähnlichen Schicksal; und die Auseinandersetzung mit einer schlimmen Vergangenheit.