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hyperventilea

Posted on 14.4.2021

Beeindruckende und berührende Erzählungen aus einem bewegten Leben „Ich sehe in die Vergangenheit, wende mein Gesicht in die Schatten und spüre die Wärme der Sonne in meinem Rücken.“ Helga Schubert verbrachte einen großen Teil ihres Lebens in der DDR, wo sie als Psychologin und Psychotherapeutin arbeitete. In dem Buch „Vom Aufstehen“ erzählt sie in 29 Texten von „ihrem Leben in Geschichten“. Sie befasst sich darin mit allem, was ihr Leben ausmacht, mit Heimat, Geborgenheit, Sätzen, die ihr Mut machen, Märchen, dem Einverstandensein und Glauben. Zentral und über allem steht die schwierige Beziehung mit ihrer Mutter, die sie nie lieben konnte und von der sie nie geliebt wurde. Helga Schubert hadert lange Zeit, macht aber letztendlich ihren Frieden. Sie schreibt beeindruckend klar, bringt ihre Sicht der Dinge präzise auf den Punkt: „Heute weiß ich: In dieser einen Woche vor Ostersonntag passiert alles, was ich inzwischen vom Leben verstanden habe: Wie schnell sich das Schicksal für einen Menschen ändert, dass man verraten werden kann. Dass es immer unvermuteten Beistand gibt und einen Ausweg. An diese Hoffnung will ich erinnert werden. Einmal im Jahr.“ Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, mich in Helga Schuberts Gedanken zurechtzufinden, fühlte mich ein wenig orientierungslos, konnte mich nicht so recht auf die Texte einlassen. Doch ihre Erzählung „Betrachtungen“ zeigte mir, wo mein Problem lag. Wenn man etwas betrachtet, ein Gesicht, ein Bild, einen Text muss es um einen herum still sein, in einem still sein. „Geh über die Brücke, die ich gerade für uns baue, bleib bei mir, interessiere dich bitte nur für mich, für kein anderes Bild, für kein anderes Menschengesicht, kein anderes Gedicht.“ Diese Erzählung sprach mich persönlich an, erreichte mich. Nicht jeder ihrer Texte drang allerdings auf die gleiche, intensive Art zu mir durch. Zweifelsohne hat die Autorin ganz viel zu sagen und jede Leserin und jeder Leser wird sich in dem einen Text mehr und in einem anderen weniger wiederfinden. Helga Schubert mit ihrer beeindruckenden Lebenserfahrung schreibt weise und klug, wirkt aber dabei immer bescheiden und demütig. Sie wirft auf Dinge, die man jahrelang auf eine bestimmte Sichtweise betrachtet hat, ganz neue Perspektiven: Nur im Winter zeigt sich die wahre Gestalt, die wahre Schönheit der Bäume oder die Ostsee ohne ihre Gezeiten ist nicht langweilig, sondern immer da, eine Konstante, die einen nicht verlässt. Für mich ein bereicherndes, aber auch herausforderndes, ein trauriges, aber auch ein zuversichtliches Buch einer beeindruckenden Frau, die gehört werden sollte.

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