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Der Debütroman von Kathleen Glasgow dreht sich um die 17-jährige Charlotte Davis, auch Charlie genannt, deren Leben eine Aneinanderreihung von Tragödien darstellt. Mit der Gesamtsituation überfordert, fügt sich Charlotte so schwerwiegende Verletzungen zu, dass sie schließlich in eine psychiatrische Heilanstalt eingeliefert wird. Doch dann bekommt sie die Chance, neu anzufangen und den Schmerz hinter sich zu lassen. Der erste Teil, in dem sich Charlie in der Klinik befindet, hat mich sofort abgeholt. Die Kapitel erinnern an Tagebucheinträge und der Autorin gelingt es unheimlich gut, die beklemmende Stimmung unter den Patienten einzufangen. Gerade die kurz gehaltenen Kapitel fand ich sehr interessant, denn sie waren auf den Punkt, ohne in eine poetische oder blumige Sprache abzuschweifen. In diesem Teil bekommen wir nicht nur einen Einblick in Charlies Lebensgeschichte, sondern lernen auch die anderen Charaktere aus der Klinik kennen, die alle eine eigene Geschichte haben und mit unterschiedlichen Problemen kämpfen müssen. Leider gibt es einige Dinge, die mich im weiteren Verlauf unheimlich gestört und dieses Buch zu meiner persönlichen Enttäuschung des Jahres gemacht haben. Da wäre zum Beispiel der starke Bruch in der Erzählweise, sobald Charlie die Klinik verlassen hat. Tatsächlich hatte ich das Gefühl, dass ich plötzlich ein komplett anderes Buch lese. Abgesehen von den vielen Längen und Wiederholungen steht in diesem zweiten Teil eine Liebesgeschichte bzw. die Beziehung zu einem Mann im Vordergrund. Zwar verstehe ich, was die Autorin damit bezwecken wollte, aber meiner Meinung nach entwickelt sich das Buch durch diese Storyline zu einem 08/15-Jugendbuch. Je weiter die Geschichte vorschreitet, desto mehr erfahren wir über Charlies Vergangenheit – und die hat es in sich. Man wird praktisch bombardiert mit Begriffen wie Drogen, Alkohol, Gewalt, sexuellen Übergriffen und Selbstmord. Ja okay, wir haben es verstanden – sie hat eine Menge durchgemacht. Aber wie genau soll sich ein durchschnittlicher Jugendlicher oder Erwachsener damit identifizieren können? Ich halte es durchaus nicht für unrealistisch, dass sich jemand, der ein einschlagendes negatives Erlebnis in seinem Leben durchstehen musste, in einer Abwärtsspirale wiederfindet, aber in diesem Fall wirkte es aufgesetzt und durch die Autorin überdramatisiert. Und damit hat es für mich genau den Sinn verfehlt – eine Nähe zum Hauptcharakter zu schaffen. Vielleicht hatte ich einfach etwas anderes erwartet, aber Kathleen Glasgow konnte mich leider nicht mit ihrem Debüt überzeugen.