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anna

Posted on 12.4.2021

Zwanzig Jahre lang trug Anthony McCarten die Idee mit sich herum und fünf Jahre Recherche wurden aufgewendet, um diesen Roman über eine der wichtigsten Errungenschaften der Menschheit zu schreiben – Licht. Doch der erste Anlauf wollte nicht so richtig gelingen – das Buch wurde riesig, gefüllt mit allen Recherchen, die McCarten auftreiben konnte. Schließlich überarbeitete er seine erste Ausführung und kürzte die Geschichte auf einen Bruchteil der ursprünglichen Länge – gerade so viel, dass der Leser das ganze Bild erfassen kann. Das Ergebnis ist ein Roman, der kurz und prägnant ist. Jeder Satz ist mit Bedacht gewählt, kein Wort ist zu viel. Licht erzählt die Geschichte des Erfinders Thomas Alva Edison, der im Laufe seines Lebens 1093 Patente einreichte. Neben bekannten Erfindungen wie dem Phonographen und Börsenkursanzeiger sorgte er vor allem mit der Glühbirne für großes Aufsehen und legte damit den Grundstein für die Elektrifizierung. Zwei Jahre vor seinem Tod soll der 82-jährige Edison bei einer Feier geehrt werden. Auf dem Weg dorthin verlässt er bei einem Zwischenstopp den Zug und lässt auf einem abgelegenen Bahngleis sein Leben Revue passieren. In Rückblenden erfahren wir, wie der Erfinder eines Tages von dem Banker J. P. Morgan aufgesucht wird und mit dessen Wunderwerk die ganze Welt elektrifizieren will. Edison, der finanziell nie in der Lage gewesen wäre, seine Erfindung ohne fremde Unterstützung voranzubringen, willigt sofort ein – ohne zu ahnen, worauf er sich eingelassen hat. Als ein Stromkrieg zwischen den Lagern Edison/Morgan und Tesla/Westinghouse entsteht, muss Edison plötzlich Entscheidungen treffen, die gegen seine Moral und seine Überzeugungen verstoßen. Eine Welt ohne Strom? Heutzutage für uns nicht mehr vorstellbar. Zugegeben – hätte man mich vor einigen Wochen über die Geschichte der Elektrizität gefragt, hätte ich einige vage Aussagen treffen können und überwiegend mit einer großen Wissenslücke geglänzt. Dass die Zeit der Industrialisierung aber eine ganz spannende Periode in unserer Geschichte ist, die unglaublich viele interessante und kluge Köpfe hervorgebracht hat, steht wohl außer Frage. Licht ist keine lineare, chronologische Erzählung; vielmehr ist es die Erinnerungsarbeit eines alten Mannes, die zu Verzerrungen neigt und Akzente setzt. Anthony McCarten gelingt es dabei unglaublich gut, die beiden Hauptprotagonisten Thomas Alva Edison und J. P. Morgan zu zeichnen und die Vielfältigkeit ihrer Charaktere aufzuzeigen. Zum Einen Edison, der bereits als Kind stark schwerhörig wurde und für seine Arbeit lebt. Er ist kein besonders guter Ehemann und kein einfacher Mensch. Auch die Entscheidungen, die er im Verlauf seines Lebens trifft, machen ihn nicht zum Sympathieträger. Und doch ist da eine sehr liebenswürdige Seite an ihm, die sich in den stillen, privaten Momenten mit seiner ersten und zweiten Frau entfaltet. Zum Anderen lernen wir den machtgierigen J. P. Morgan kennen – nach Außen hin Geschäftsmann ohne Rücksicht auf Verluste, im Inneren jedoch auch nur ein Mensch mit einem tragischen Charakter. Das letzte Drittel des Romans ist keine leichte Lektüre und definitiv nichts für Zartbesaitete. Mehrmals musste ich das Buch zur Seite legen und das Gelesene erst einmal verdauen. Gerade dieser Abschnitt lässt den Leser die Auswirkung von Edisons Verhalten und seinen Entscheidungen im Verlauf des Stromkriegs spüren. Anthony McCarten ist mit Licht eine dynamische und fesselnde Geschichte mit Tiefgang gelungen, die einen das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen lassen möchte. Unglaublich gut wird der Geist der damaligen Zeit zwischen den Zeilen transportiert und zeigt ganz deutlich: wo Licht ist, ist auch Schatten. Für mich definitiv ein Werk, das mein Interesse für diese Thematik und den Autor geweckt hat!

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