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anna

Posted on 12.4.2021

Wirklich oft greife ich nicht zu Autobiografien, aber wenn es dann doch der Fall ist, lese ich gerne über Menschen, die Großes in unserer Gesellschaft bewirkt oder Außergewöhnliches zu Stande gebracht haben. Über „Schloss aus Glas“ bin ich jedoch ganz zufällig gestolpert und gab dem Buch aufgrund der vielen positiven Bewertungen eine Chance – obwohl Jeanette Walls mir bis dato nicht bekannt war. "Ich nestelte an meiner Perlenkette und fragte mich, ob ich nicht doch zu elegant für die Party angezogen war, als ich aus dem Taxifenster schaute und Mom sah, die gerade einen Mülleimer durchwühlte." Mit diesem Satz beginnt die Erzählung von Jeanette Walls und dieser Abend war es auch, an dem die Autorin beschloss, ihre Vergangenheit nicht länger zu verheimlichen, sondern ein Buch darüber zu schreiben. Als eins von vier Kindern wächst Walls in einem unkonventionellen Elternhaus auf, die Kindheit der Geschwister ist geprägt durch Armut, Hunger und ständige Umzüge. Vater Rex ist ein Träumer und Alkoholiker, der keinen Job lange behält, die Mutter eine selbsternannte Künstlerin, die sich weigert, normal arbeiten zu gehen und stattdessen ihre Kinder verwahrlosen lässt. Aber die von den Eltern geführte Lebensweise, die sich gegen jede Form der modernen Gesellschaft richtet und für die Kinder zunächst wie ein großes Abenteuer erscheint, wird mit dem wachsenden Alter immer mehr von den Geschwistern hinterfragt. Es ist unbeschreiblich, was Jeannette Walls als Kind und Jugendliche erlebt hat. Nicht selten musste ich mich beim Lesen daran erinnern, dass es tatsächlich eine Autobiographie ist, die ich da in den Händen halte, und keine frei erfundene Geschichte. Ganz neutral und wertungsfrei erzählt die Autorin, wie sie sich als 3-Jährige schwerste Verbrennungen holt, weil sie Essen über einer offenen Flamme zubereitet, wie die Kinder in Kartons schlafen, barfuß und in Lumpen herumlaufen und sich aus Mülltonnen ernähren müssen. Als Leser schlägt man schnell die Hände über dem Kopf zusammen und ist einfach nur fassungslos über die Unvernunft der Eltern, die keineswegs dumm oder unfähig sind, Arbeit zu finden, sondern sich bewusst für diesen unangepassten Lebensstil entschieden haben. Doch irgendwie schafft es Walls, aufzuzeigen, dass es bei der Erziehung nicht nur Schwarz und Weiß gibt, sondern jede Erziehungsmethode ihre Vor- und Nachteile hat und ihre Eltern doch auch vieles richtig gemacht haben. Ein Buch, das sehr zum Nachdenken anregt und aufzeigt, dass eine positive Einstellung zum Leben entscheidend ist, dass man selbst den schlimmsten Erfahrungen etwas Gutes abgewinnen kann und sein Glück selbst in der Hand hat.

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