Buchdoktor
Linn Strømsborgs Icherzählerin hat sich schon früh entschieden, keine Kinder zu bekommen, und wird diese Meinung auch mit Mitte 30 nicht ändern. Im Leben der namenlosen Protagonistin entwickelt sich nahezu jedes Tischgespräch zum Minenfeld; denn jedes Treffen mit Freunden landet unweigerlich beim Thema Schwangerschaft und Kinderwunsch. Bereits an diesem Punkt könnten sich Leser fragen, warum ein Lebenswurf überhaupt verteidigt werden und warum jemand sich diese Grenzüberschreitungen bieten lassen muss. Menschen mit Kindern halten sich im geschilderten Umfeld offenbar für die glücklicheren, besseren Menschen und müssen das regelmäßig demonstrieren. Die Entscheidung der Frau war keine spontane Idee, sondern setzt sich aus ihrer Familiengeschichte, ihrer Persönlichkeit und ihrem starken Wunsch nach Alleinsein zusammen. Selbst wenn sich eine der Variablen im Laufe ihres Lebens verändert hätte, würde eine andere Gewichtung ihre gewachsene Ablehnung von Mutterschaft nicht ändern. Während die 35-Jährige inzwischen nachvollziehen kann, warum frühere Generationen sich kaum gezielt gegen Kinder entscheiden konnten und auch ihre Mutter verstehen lernt, die sehr jung schwanger wurde, muss sie sich mit dem Mutterglück ihrer besten Freunden Anniken auseinandersetzen – und in ihrer eigenen langjährigen Beziehung mit dem starken Kinderwunsch ihres Partners. Philip ist nicht damit zufrieden, nur Nichten und Neffen zu lieben und heranwachsen zu sehen, sein Kinderwunsch steht ebenso unverrückbar fest wie die Entscheidung seiner Partnerin gegen ein Kind. Anders als andere evtl. erwarten, ändert die Begegnung mit Anniken in ihrer neuen Rolle nichts an der Entscheidung der Protagonistin, für ein Kind nicht ihr bisheriges Leben aufzugeben. Für Philip wird sich das Problem nicht von selbst entscheiden. Ihren hochemotionalen Inhalt vermittelt die Autorin hier in sehr spröder Form. Begegnungen der Protagonistin mit Gesprächspartnern reihen sich aneinander; es gibt wenig Handlung. Mit jeder Station im Leben des Paars konnte ich mich identifizieren; denn die Übergriffigkeit ganzer Gesellschaften bei diesem Thema setzt sich selbst nach der Geburt eines Kindes fort. Der Wechsel zwischen Icherzählerin und personaler Erzählerstimme jedoch konnte mich nicht überzeugen und mir fehlte in den beobachtenden Abschnitten zunehmend der Name der Protagonistin - so dass auch ihre Familienbeziehungen auf mich zu distanziert wirkten. Linn Strømsborgs Roman ist trotz meiner formalen Kritik ein einfühlsames, wichtiges Buch, weil es gleichwertig die Wünsche beider Partner nach einem Leben mit Kindern/ohne Kinder thematisiert.