naraya
Es ist der 11. März 2011, als ein Seebeben vor der Ostküste Japans einen Tsunami auslöst und über 22.000 Opfer fordert. Um den Menschen in seinem Ort zu helfen, die Katastrophe zu bewältigen, installierte Sasaki Itaru in seinem Garten eine Telefonzelle ohne Anschluss: das Telefon des Windes. Jedes Jahr kommen tausende Besucher hierher, um ein letztes Mal mit den Menschen zu sprechen, die sie verloren haben. In diesem realen Garten lässt Laura Imai Messina in ihrem Roman „Die Telefonzelle am Ende der Welt“ ihre Protagonisten zum ersten Mal aufeinandertreffen. Radiomoderatorin Yui verlor durch den Tsunami ihre Mutter und ihre dreijährige Tochter, Arzt Takeshi seine Frau. Aus dieser Begegnung entwickelt sich über die Jahre eine tiefe Freundschaft und womöglich sogar etwas mehr. Doch die Situation ist vor allem für Yui nicht so einfach, denn Takeshi hat selbst eine kleine Tochter – kann sie jemals wieder eine Mutter sein? Der Roman wird aus Yuis und Takeshis Perspektive erzählt; die Sprache ist dabei klangvoll, aber sehr zart und leise. Es sind nicht die großen emotionalen Ausbrüche, die verraten, wie es in den Figuren aussieht, sondern die kleinen Dinge: Yuis Übelkeit, wenn sie das Meer sieht, Takeshis Unsicherheit als alleinerziehender Vater, das traurige Schweigen von seiner kleinen Tochter Hana. In die Romanhandlung werden immer wieder kleine Zwischenkapitel eingeflochten, die mehr über die Charaktere oder das Geschehen preisgeben: die Playlist, die Yui am Tag des Tusnamis spielte, Dinge, die Hana am liebsten mit ihrer Mutter machte oder der Wortlaut von Takeshis Liebeserklärung an Yui. Diese kleinen Texte geben dem Buch einen Anschein von Authentizität, aber auch etwas Persönliches. „Die Telefonzelle am Ende der Welt“ ist zwar auch eine Liebesgeschichte, aber vorrangig ein Roman über Trauer und Schuld. Neben Yui und Takeshi begegnen wir noch anderen Nebenfiguren, die Angehörige durch den Tsunami verloren haben – manchmal sogar, obwohl derjenige noch am Leben ist. Und wir erfahren, dass es nicht die eine Art zu trauern gibt, sondern viele, kleine, unterschiedliche Pfade, die irgendwann den Schmerz etwas lindern.