stricki
Der Wächter des Abgrunds Die Gründe für Selbstmord sind vielfältig und so verschieden wie die Menschen, die an dieser nicht näher benannten Felsklippe stehen und sich vom Leben verabschieden wollen. Ein alter Japaner hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Menschen abzupassen, sie auf einen Tee einzuladen, ihren Geschichten zu lauschen und sie mit weisen Ratschlägen zum Weitermachen zu ermutigen. Protagonist Toni ist auf dem Weg, die Asche seine Bruders zu verstreuen, als er von dieser besonderen Felsklippe und seinem Wächter hört. Er befindet sich selbst in einer Lebenskrise und hadert mit allem. Er fährt dort hin. Ich hadere mit dem Buch, weil mir einiges nicht gefallen hat: - die Lovestory von Esmeralda und Toni - Vertrauensbruch 1: Tagebuch des Gastgebers lesen - Vertrauensbruch 2: Versteck der Urne Die Lovestory finde ich kitschig und klischeehaft. Hübsche Hippiefrau steigt zu korpulentem Unternehmer ins Auto und beide verlieben sich sofort in einander, natürlich matched die Sache 100%. Ich hätte auch liebend gern auf die erotischen Szenen verzichtet, hier wunderte ich mich sehr, dass Ángeles Donate eine Autorin ist, den Fantasien nach zu urteilen hätte ich auf zwei männliche Autoren getippt. Das Tagebuch von Kosei-San bewahrte dieser hinter einem Holzschnitt versteckt auf. In Abwesenheit seines Gastgebers stöbert Toni in seinen Sachen und entdeckt das Tagebuch. Natürlich liest er es und wir erfahren viel über Kosei-Sans Vergangenheit. Dieses Verhalten widerspricht meinen moralischen Vorstellungen von Ehrlichkeit und Verbundenheit in Freundschaften und stellt für mich die Grundidee des Buches in Frage. Die Urne mit der Asche seines Bruders fiel in den Abgrund und Toni sucht sie tagelang. Verzweifelt. Wobei die Verzweiflung deutlich abnimmt, als Esmeralda in sein Leben tritt. Dass diese nun die Urne versteckt, um mehr Zeit mit ihm zu gewinnen, halte ich auch für eine ganz schlechte Basis für eine vertrauensvolle Beziehung. Und passt so gar nicht zu ihrem ansonsten betont selbstbewussten Auftreten. Passt aber wunderbar zu ihrer Aussage, dass sie bis dato nicht viel Glück in der Liebe hatte. Bei dem Verhalten, kein Wunder. Mein Fazit: Die einzelnen Geschichten sind interessant zu lesen, und es stecken auch einige Weisheiten im Buch. Insgesamt ist die Geschichte für mich aber nicht schlüssig, sie ist voller Brüche und Ungereimtheiten. Kosei-San selber scheint an dieser Klippe seine Schuld abzuarbeiten. Er sucht nach Bestätigung, in dem er seine Geschichten, in denen er der Retter ist, Toni erzählt. Im professionellen Kontext gäbe es hier eine Schweigepflicht. Deshalb gibt es von mir nur 3,4 Sterne.