miss_pageturner
Die Antike war schon immer ein Steckenpferd von mir und damit liebe ich auch die griechische Mythologie, daher wanderte Ich bin Circe in dem Moment auf meine Wuli, als ich es entdeckte und musste auch sofort gelesen werden, als ich es mir endlich zulegte. Für Mythologie Fans und jene, die es werden wollen Als Archäologin im Herzen bin ich persönlich bei Mythologie Adaptionen immer etwas eigen. Ich habe nichts gegen künstlerische Freiheiten und Abänderungen, aber ich muss beim Lesen des Romans spüren, dass die Autorin oder der Autor sich intensiv mit den Originalmythen auseinandergesetzt hat und deren Kerninhalte verstanden hat. Solange die “Essenz” der Mythen erhalten bleibt, bin ich offen für Abwandlungen und Eigeninterpretationen. Rick Riordan kann das hervorragend und Madeline Miller ebenfalls. Mit Ich bin Circe gibt sie einer mythologischen Gestalt eine Stimme, die in den Überlieferungen eigentlich “nur” eine Randfigur ist. Ihr Buch stützt sich auf Homers Odyssee, bez. teils auch der Ilias, aber auch der fragmentarisch erhaltenen Telegonie, oder des vielfach überlieferten Theseus Mythos. Da in all diesen Quellen Circe stets nicht die Haupt-, sondern eine Nebenperson ist, hat die Autorin in ihrem Roman sich allerhand Freiheiten und Auslegungen herausgenommen. Trotzdem spürt man, dass sie die Quellen intensiv studiert hat. Ein erster Punkt, der mich an dem Buch begeisterte. Ein weiterer Pluspunkt ist die Art und Weise, wie die Autorin ihre Leser in die Welt der Götter einführt. In dem Roman treffen wir auf etliche mythologische Gestalten und auch wenn es für mich als Kennerin der Mythen etwas schwer zu beurteilen ist, glaube ich dennoch, dass auch jene, die sich noch nicht großartig mit der griechischen Mythologie auseinandergesetzt haben, keine Verständnisprobleme geben sollte. Madelien Miller zeigt in dem Roman ein hervorragendes Talent dafür durch Circes Monologe und Erinnerungen die Beziehungen der mythischen Figuren untereinander und die Verknüpfungen diverser Mythen aufzuzeigen und zu erläutern, ohne dass Circe wie ein “Erklärbär” wirkt. Stattdessen fühlt sich das Buch tatsächlich so an, als würde man die Memoiren von Circe lesen, als hätte sie tatsächlich gelebt. Die Autorin lässt damit die Welt der griechischen Antike und deren Mythen lebendig werden, wie kaum jemand Anderes. Eine Göttin auf der Suche nach sich selbst Doch dieses Buch ist nicht nur eine nette Nacherzählung griechischer Mythologie, es ist soviel mehr. Es ist die Geschichte einer Frau, die in einer patriarchalischen Welt ihren Platz zu finden versucht. Es ist eine Geschichte von Selbstfindung, Liebe und der Suche nach Selbstbestimmtheit, aber auch Schmerz, Verlust und Ängsten. Wir begleiten Circe von ihrer Geburt an. Erleben eine Kindheit voller Missachtung und Hänseleien, die Naivität der Jugend und begleiten anschließend Circe dabei, wie sie Stück für Stück ihre eigene innere Stärke findet. Dieser Prozess ist mit Hürden und Rückschlägen verbunden, aber dadurch wird die Entwicklung, die Circe durchmacht nur noch eindringlicher und glaubhafter. Es bereitete mir als Leserin größtes vergnügen, an Circes Seite zu stehen, mit ihr mitzuführen und sie auf ihren Weg und ihrer Suche nach sich selbst zu begleiten. All die Jahre war ich ein Weber ohne Wolle, ein Schiff ohne Meer. Doch jetzt seht her, wohin ich segele. (Ich bin Circe von Madeline Miller, Eisele Verlag, S. 108) Allein das hätte schon einen großartigen Bildungsroman ergeben, doch Miller flechtet überdies noch aktuelle feministische Themen mit ein, beweist aber auch hier wieder ein feines Gespür dafür, diese Themen in die Geschichte und der Welt einzubetten, ohne dass sie wie Fremdkörper wirken. Ein großes Thema ist Selbstbestimmtheit, dass in vielen Facetten aufgegriffen wird. Da hätten wir u.a. das Losreißen der Bevormundung durch Männern, aber auch die freie Wahl von Partnern, ohne sich binden zu lassen, wenn man das nicht möchte. Was ich wirklich großartig finde ist, wie die Autorin durch ihre Figur zeigt, dass es beim Feminismus nicht darum geht, die Männer zu verbannen oder komplett zu verteufeln. Nein, es geht darum im Umgang mit ihnen selbstbestimmt sein zu können. Die Wahl zu haben, was man tun und lassen möchte. Es geht darum, ohne Vorurteile und Bevormundungen für sich selbst einstehen zu können und eigene Ziele frei und eigenständig verfolgen zu können. Viele Redensarten bezeichnen Frauen als zarte Geschöpfe, als Blumen, Eier, alles, was womöglich schon bei der kleinsten Unachtsamkeit zerbricht. Wenn ich daran jemals geglaubt hatte, war es damit jetzt vorbei. (Ich bin Circe von Madeline Miller, Eisele Verlag, S. 411) Als letzten Punkt möchte ich noch ein paar Worte zu der Erzählweise dieses Romans verlieren. Es sei gleich gesagt: Ich bin Circe ist ruhig. Gerate die Tage auf Aiaia sind wirklich sehr ruhig, trotzdem war mir zu keinem einzigen Zeitpunkt langweilig. Das lag nehmen der Sympathie zu Circe auch an Millers Schreibstil der wunderschön und poetisch, aber nie zu blumig oder überladen ist. Zwei Zitate seht ihr hier ja in der Rezension, aber eigentlich hätte ich das halbe Buch zitieren können, so schön formuliert und pointiert waren viele von Circes Gedanken. Fazit: Ich bin Circe war mein erstes Buch in diesem Jahr und ist gleich nicht nur das Monatshighlight des Januars, sondern auch ein heißer Kandidat für den Titel Jahreshighlight geworden. Eingehüllt in einer wunderschönen poetischen Sprache erzählt Madeline Miller nicht nur einfach nur einen Mythos neu, sondern gibt vielmehr einer Frau eine Stimme, die sinnbildlich für viele Frauen dieser Welt steht. Eine Frau, die sich selbst finden muss, die der Bevormundung durch Männern zu entfliehen versucht und ihre eigene Stärke findet. Eine deutliche Leseempfehlung von mir.