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Lenislesestunden

Posted on 1.4.2021

“Betrunken, mit wirrem Blick und wildem Blut, hirnlos, schwerelos - so wirbelten Celia und ich in diesem Sommer durch New York City, befeuert von reiner Elektrizität. Wir gingen nicht, wir schossen umher. Wir hatten kein Ziel; wir waren nur ständig auf der Suche nach Leben. Wir verpassten nichts und verpassten doch alles.” - S. 107 Mit gerade einmal 19 Jahren kommt Vivian nach New York City. Nachdem sie vom College geflogen ist haben ihre Eltern beschlossen, dass es für die ganze Familie das Beste wäre, sie zu ihrer Tante Peg zu verbannen. Die betreibt ein heruntergekommenes Theater namens “Lily Playhouse” mitten in Manhattan, in dem Revue-Schauen gezeigt werden, die eher in die Kategorie “leicht bis anrüchig” fallen. Vivian näht leidenschaftlich gern und etabliert sich schnell als Kostümschneiderin für all die verrückten Gestalten, die im Theater ein und aus gehen. Klingt erstmal relativ oberflächlich, oder? Das dachte ich zumindest. Und zu Beginn des Buches geht es tatsächlich auch in erster Linie um das ausschweifende Leben, das Vivian in New York führt, die Bars, die Musik, die Drinks, die Frauen, mit denen sie sich anfreundet und die Männer, die sie kennenlernt und mit denen sie schläft. Aber: unabhängig davon, dass dieser selbstbestimmte Lebensstil entgegen aller Konventionen in den 1940er Jahren ein revolutionärer Akt war, gewinnt die Erzählung vor allem dadurch an Tiefe, dass Vivians Geschichte als Rückblick von ihrem hochbetagten Ich erzählt wird. Und dabei kommt auch sie selbst nicht immer gut weg, denn sie macht Fehler, einmal sogar einen sehr großen, der ihr gesellschaftlich solchen Schaden zufügt, dass ihr Leben beinahe eine dramatische Wendung nimmt. Doch da kommen dann die Personen ins Spiel, die in diesem Buch die Hauptrolle spielen: nämlich all die Frauen, die Vivian über die Jahre inspirieren, ihr Halt geben und sie darin bestärken, ihren eigenen Weg zu gehen. “City of Girls” entwickelt sich so von einem aufregenden Trip nach New York zu einer immer ernsthafteren Geschichte über Feminismus, die Auswirkungen des zweiten Weltkrieges und die Entwicklung einer sehr interessanten Protagonistin, die Ecken und Kanten hat, aber nichtsdestotrotz ein Vorbild ist, zumindest habe ich es so empfunden. Bis auf “Nachtzug nach Lissabon” hat noch nie ein Buch in mir größere Sehnsucht nach einem Ort ausgelöst und auch die Story konnte mich absolut überzeugen. Kategorie: Wollte, dass es niemals endet!

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