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cosima73

Posted on 1.4.2021

«Ich wollte nicht mehr. Das immer gleiche Spiel von Anziehung und Abwehr, Verschmelzung und Selbsterhalt schien mir aus der neu gewonnenen Distanz auf einmal öde und vorhersehbar, alles lief auf Abnutzung und Missverstehen hinaus, als könne es Liebe zwischen zwei Menschen nur in Phasen geben, nach deren Ablauf man sich die eigene Ernüchterung so lange nicht eingestand, bis ein äusseres Ereignis, eine neue Verliebtheit, ein Job in einer anderen Stadt oder ein irreversibel verletzender Streit für klare Verhältnisse sorgte.“ Der Drehbuchautor Philip Dorn, ein alleinstehender Mann in den mittleren Jahren, der sich nach dem Scheitern seiner letzten Beziehung in seinem Leben allein eingerichtet hat, beschliesst, sich sein Traumauto, einen Mini, zu kaufen und damit in die Toskana zu fahren. Beim Dahingleiten auf den Strassen, erinnert er sich an seine Kindheit, an seine Beziehung zu seinen Eltern, vor allem die zu seiner Mutter, und an seine gescheiterte Beziehung zu Bettina. „Wenn das Auge immer neue Bilder erfasst, kommt Luft ins Gehirn und die inneren Regale werden abgestaubt.“ Italien erscheint ihm als Paradies, das Freisein von Verpflichtungen und die Abgeschiedenheit von anderen Menschen eröffnet ihm die Möglichkeit, sein bisheriges Leben und seine eigene Rolle darin zu beleuchten – bis eines Nachts eine nackte Frau in seinem Pool schwimmt, die seine Aufmerksamkeit weckt. Zuerst beobachtet er sie nur fasziniert aus dem Versteckten, in bald darauf folgenden Gesprächen findet Philip Dorn weitere Antworten auf seine höchstpersönlichen Fragen. Thommie Bayer legt uns eine warmherzige Geschichte vor, welche ohne grosse Höhen und Tiefen in ihren Bann zieht und das Herz erwärmt. Der Protagonist eröffnet durch sein eigenes Nachdenken – erzählt in einem inneren Monolog – Denkräume, in welche auch der Leser eintreten kann. Er lässt die verschiedenen Etappen seines Lebens Revue passieren, sinniert über seine Beziehung zu seinen Eltern, vor allem seiner Mutter, über verpasste Gelegenheiten, Hoffnungen, Erwartungen und auch das Glück. „Das muss das Alter sein, dachte ich, wenn dir auf einmal klar wird, dass das Beste, was dir passieren kann, die Aussicht ist, dass alles so bleibt, wie es ist, dass dich keine Krankheit niederwirft, niemand an dir ein Verbrechen verübt, Siechtum und Tod dich möglichst lange nicht erwischen – wird Zeit, zu begreifen, dass du glücklich bist.“ „Das Glück meiner Mutter“ ist ein Buch mit leisen Tönen, das berührt und bewegt, ein Buch mit Spuren von Wehmut, aber auch Hoffnung, Einsicht und Dankbarkeit. Es ist der Versuch, herauszufinden, was Glück ist und die Frage danach, ob die anderen Menschen im eigenen Umfeld glücklich gewesen sind – und ob und wie man selber dazu beitragen oder im Weg stehen kann. Die Geschichte ist vielleicht etwas einfach gestrickt, gewisse Dinge, liegen, wenn auch nicht ausgesprochen, in greifbarer Nähe, sind eventuell auch etwas zu konstruiert, doch tut dies dem Gefühl, das dieses Buch beim Lesen hinterlässt, keinen Abbruch. Es ist ein wunderbares Buch, das leider viel zu schnell endet, einen aber auch dann noch nicht gleich loslässt. Fazit: Lebenserinnerungen in eine Reise verpackt, ein Buch mit leisen Tönen, das berührt und bewegt, ein Buch mit Spuren von Wehmut, aber auch Hoffnung, Einsicht und Dankbarkeit. Ein wunderbares Buch und eine grosse Empfehlung!

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