sabinescholl
Mit „Rückkehr in die fremde Heimat“ widmet sich Journalist Herbert Lackner einigen während der Zeit des Nationalsozialismus ins Exil getriebenen Künstlern und Politikern. Sogar jene später als typisch wienerisch Angesehene, wie der Komponist Robert Stolz oder der Kabarettist Karl Farkas, hatten flüchten müssen. Hermann Leopoldis Lieder gelten bis heute als Ausdruck eines spritzigen Wiengefühls. Ihr Urheber wurde nach Buchenwald verschleppt, seiner Frau gelang es dann, ihn freizukaufen. Andere hingegen, wie Fritz Beda-Löhner, Librettist für Operettenkönig Franz Lehar, wurden im KZ erschlagen. Die Davongekommenen bauten sich ein neues Leben in den USA oder anderswo in Übersee auf, einige durchaus erfolgreich. Andere konnten ihr Metier in der Fremde nicht mehr weiter ausüben. Mit Kriegsende begannen viele Exilierte trotz allem daran zu denken, nach Österreich zurückzukehren. Der Autor Alfred Polgar aber zweifelte daran, ob die Einheimischen ihre Gewohnheiten so rasch geändert hätten: „Vergebliches Bemühen, ihnen einleuchten zu wollen, dass es hässlich ist, wehrlosen Nebenmenschen die Nieren aus dem Leib zu treten.“ Das von Schuld entlastende Opfernarrativ des Landes machte es Rückkehrern nicht einfach. Sie waren nicht wirklich willkommen, da ihre bloße Existenz an das Verdrängte rührte. Es bedurfte schon eines Aufrufs durch KP-Kulturstadtrat Viktor Matejka, mit dem er Künstler einlud, wieder nach Wien zu kommen. Der Preis, den sie dafür zu zahlen hatten, war, über erlittenes Unrecht, ermordete Familienmitglieder oder verlorene Vermögen zu schweigen. Für politische Rückkehrer sah es nicht besser aus. Der spätere sozialistische Bundeskanzler Bruno Kreisky, der im Widerstand aktiv gewesen war und nach Stockholm floh, organisierte von Schweden aus Hilfslieferungen für das kaputte Österreich. 21 seiner Familienmitglieder waren von den Nazis ermordet worden. Da die Sozialdemokraten nicht als Judenpartei gelten wollten, waren sie an der Rückkehr von Geflüchteten nicht sonderlich interessiert. Der antisemitische, sozialistische Innenminister Oskar Helmer machte gar Stimmung gegen die Wiedergekehrten. Forderungen nach Restitution wurden mit dem Vorurteil der angeblich typisch jüdischen Geldgier gekontert. Die mittellosen Juden hätten keine finanzielle Unterstützung und damit Bevorzugung verdient. Sie hätten es ja im Ausland besser gehabt als die vor Ort Gebliebenen, die den Krieg erleben mussten. Nun, da alles vorbei sei, wollten die „Verräter“ zurück ins „vorgewärmte Nest“. Die Opfererzählung entfaltete ihre volle Wirkung. Nun waren allein die Deutschen schuld an der Vernichtung von Juden, die Österreicher nicht mehr. Den gruseligen Verteilungskämpfen auf politischer Ebene entsprach das Verhältnis zwischen gebliebenen und vertriebenen Künstlern. Auch hier kamen die Ansässigen zum Zuge, räumten Ehrungen und Aufträge ab. So konnte sich z.B. ein mittelmäßiger Maler mit durchschnittlichen Sujets in einem Wettbewerb gegen einen international renommierten Künstler wie Chagall durchsetzen, um den Vorhang der Wiener Staatsoper zu gestalten. Lieber Provinz und Muff als heikle Erinnerungen an einstigen Größenwahn, lautete die Devise. Dieser Rückgriff auf eine angeblich selige, weil urösterreichische Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg war anscheinend geboten, um sich von fatalen Verstrickungen mit dem Dritten Reich abzugrenzen. Manche Vertriebene, wie Ernst Lothar, kehrten jedoch als Vertreter der Alliierten zurück, um belastete Künstler zu untersuchen, deren Karriere zur Zeit des Nazi-Regimes floriert hatte, wie z.B. den Dirigenten Herbert von Karajan, die Schauspieler Paula Wessely, Werner Krauss, Emil Jannings. Sie wurden mit zeitlich begrenzten Auftrittsverboten belegt. Viele der Geflüchteten jedoch waren ohnehin zu tief traumatisiert, als dass sie noch einmal dieses Land betreten wollten. Sie blieben entweder an ihren Exil-Orten oder wählten die Schweiz als künftigen Wohnort. Anhand von Beispielen aus Kunst und Politik zeichnet Autor Herbert Lackner eine von Ressentiments bestimmte Atmosphäre im Nachkriegsösterreich, die den Nährboden für bis heute geltende Einstellungen bildete. Das Wissen um Damals, hilft auch gegenwärtige Verhaltensweisen besser zu verstehen. Lackners Darstellung ist mehr Reportage als Analyse, aber angesichts der Materialfülle dennoch ein Gewinn.