Sarah Jørgensen
»Am Ende bleibe ich über Nacht, allerdings schlafen wir nicht allzu viel. Es gibt keinen Kuss nach dem Aufwachen. Er fragt, ob ich frühstücken will. Ich lehne ab: Ich müsse allmählich gehen. Er sieht weder erleichtert noch enttäuscht aus, bringt mich in seine Decke gewickelt zur Tür und umarmt mich unbeholfen. Telefonnummern tauschen wir nicht aus. Lebensgeschichten auch nicht. »Bis dann«, sagt er noch. »Bis dann«, sage ich.« Das Buch beginnt mit der wohl außergewöhnlichsten Widmung, die ich bislang gelesen habe: "Dem Mann gewidmet, der durch seine Beschränktheit immerhin imstande ist, als Inspiration zu dienen." Sofia Rönnow Pessah hat eine ehrliche, rohe Tragödie voller dunklem Humor darüber geschrieben, was es bedeutet, im 21. Jahrhundert eine Frau zu sein. Die Autorin schafft es, die sexuelle Dystopie, die uns umgibt, in Worte zu fassen. Ich war vom Schreibstil gefesselt und auf ungewöhnliche Weise tief berührt. Ein Manifest gegen konservative Hochglanzromantik und pornogeschädigte Geschlechterrollen. Trocken und tragikomisch erzählt Sofia Rönnow Pessah von der sexuellen Ambivalenz zwischen weiblicher Lust, Patriarchat und Geliebtwerdenwollen, in der viele heterosexuelle Frauen gefangen sind. Während der Roman seine Handlung in einem banalen Sexprotokoll vorträgt, schafft er es durch eben diesen Stil, die Bedeutsamkeit des Themas hervorzuheben.