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mrsrabe

Posted on 26.3.2021

Ein altes englisches Herrenhaus, eine illustre Gesellschaft, ein dunkler Wald. In diesem Wald wacht Sebastian Bell, der Ich-Erzähler auf und ihm fehlt jegliche Erinnerung. Wie er im Wald gelandet ist, wer er überhaupt ist. Nur ein Name ist im Gedächtnis geblieben: Anna Dann meint Sebastian, einen Mord zu beobachten. Ein langer, sehr langer Tag beginnt. Was nur hat dieses erste Kapitel mit dem Titel „Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle“, was mit dem Klappentext zu tun, fragte ich mich beim Lesen. Die Handlung ist angesiedelt in einem ganz klassischen Setting des englischen Kriminalromans. Es ist nicht ganz definiert, in welcher Zeit alles spielt. Es gibt Autos und Telefon, aber nicht die modernen Kommunikationsmittel unserer Zeit. Doch dann kommt das zweite Kapitel, und – wow –was für ein Twist. Alles ist anders und doch irgendwie nicht. Es beginnt ein ganz geniales Spiel mit Personen und Perspektiven. Nichts und niemand ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Wie in einem Gemälde von Escher dreht und wendet sich alles, ohne erkennbaren Anfang oder Ziel. Dabei greift der Autor Stuart Turton tief in die Schatzkiste des englischen Kriminalromans. Sie alle geben sich ein Stelldichein, das „who‘s who“ der Briten, der Butler, die junge Erbin, der Laudanumdealer, der Lebemann, der sonore Anwalt, der Erpresser, der Dorfpolizist. Ob beim Bankett, englischen Frühstück, der Jagd oder dem Drink im Rauchsalon, es ist alles vorhanden. Gefangen in einer Zeitschleife soll ein Mord verhindert, ein anderer gelöst werden. Wer ist Freund, wer ist Feind, wer ist überhaupt wer? Stuart Turton löst das Gefüge derart geschickt und voller Erzählfreude auf. Die Idee ist natürlich nicht ganz neu, „Groundhog Day“ schwirrt einem sofort im Kopf umher. Dennoch halte ich Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle für eine ganz besondere Definition des Mystery-Krimis. Ich habe selten so einen originellen Roman gelesen.

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