wandanoir
Ein phantastisches Romandebüt. Das ist ein unglaublich hohes Niveau für einen Debütroman! „Heimkehren“ ist ein Episodenroman. Der Episodenroman ist eigentlich ein Kurzgeschichtenband, der sich in jedem Kapitel mit einer anderen Person beschäftigt. Die Romankapitel hängen thematisch in der einen oder der anderen Weise lose zusammen. Das verbindende Element von „Heimkehren“ ist die Herkunft der Figuren aus der blutigen Kolonialgeschichte Ghanas. Dabei begann die Kolonialisierung zuerst einmal als Handelsbeziehung zwischen u.a. Großbritannien und Ghana. Aber sobald einige Stämme der Goldküste damit beginnen als Handelsware Menschen anderer Stammeszugehörigkeit einzusetzen und an die Engländer zu verschachern, wird es eine sehr unschöne Angelegenheit. Milde ausgedrückt. Ich habe „Heimkehren“ teilweise als Hörbuch und teilweise als Ebook gelesen, die Hörbuchfassung ist von mehreren Schauspielern wirklich wunderbar und eindrücklich vorgetragen. Diese Kombination war das Richtige für mich. Man ist sofort mitten im Geschehen als Effia, von ihrer Mutter misshandelt, blutjung an einen Engländer verkauft wird, der sie auf seine Weise heiratet. Ihre Halbschwester Esi, von der sie nichts weiß, hat weniger „Glück“ und überlebt im Verlies unten in der Sklavenburg und an ihrem Bestimmungsort gerade noch lange genug, um den Stein ihrer Mutter an ihre Nachkommen vererben zu können. „Heimkehren“ ist die Geschichte des Sklavenhandels, eine die ohne jede Rührseligkeit, ohne Anklage und ohne Larmoyanz auskommt, sofort ans Herz geht, ein Roman, der genau an der Schmerzgrenze der Leserschaft haltmacht, aber nicht vorher und dann zur nächsten Person springt, immer eine Generation höher, bis wir in der Jetztzeit, in den Staaten angekommen sind. In den letzten Geschichten wird der Ton der Autorin leiser, melancholischer, das Trauma der Versklavung klingt milder, verstummt aber generationenlang nicht. Und wird es nie. Yaa Gyasi schreibt auf einem literarisch unglaublich hohen Niveau, wunderschöne Bilder, Vergleiche, vollendetes Sprachvermögen - und trotzdem haarsträubend blutig, sie erspart dir nichts, bis du schreien möchtest und erst dann blendet sie um. Das ist Können. Das ist Kunst. Dieser Roman hätte einen Preis verdient gehabt. Man würde natürlich gerne mehr von den Menschen lesen, von denen Yaa Gyasi in den vergangenen Kapiteln geschrieben hat, aber es ist eben wie im Leben, alles erfährt man nicht. Und das ist auch gut so. Heimkehren bleibt ein Episodenroman, obwohl es einem gar nicht so vorkommt. Fazit: Man kann nicht alles lesen, aber „Heimkehren“ sollte man lesen. Kategorie: Debüt. Belletristik. Verlag: Dumont, 2017 (jetzt auch als TB).