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Der Theologe, Lehrer und Schriftsteller Werner Milstein legt mit diesem Buch - herausgegeben zum 100. Geburtstag Sophie Scholls im Frühjahr 2021 - eine ganz wunderbar erzählte Lebensgeschichte dieser mutigen jungen Frau vor. Sophie und ihre Geschwister werden im christlich-evangelischen Glauben erzogen, später sind das wichtige Motive für ihren aktiven Widerstand gegen das Naziregime. Zu Beginn der 30er Jahre ist das junge Mädchen jedoch ganz angetan vom vermeintlichen Anbruch einer neuen Zeit und tritt 1934 sogar der sogenannten Jungmädelschaft bei. Gut erklärt Werner Milstein diese Faszination für die diversen - von den Nazis geschickt zur weiteren Einflussnahme organisierten – Jugendgruppen; gerade in der Pubertät ist die Abgrenzung von den (entsetzten) Eltern wichtig und sicher war Sophie auch von einer gewissen Freiheit vom Elternhaus und von Abenteuerausflügen begeistert. Die Ziele der Nationalsozialisten standen jedoch im krassen Gegensatz zu ihren christlichen Werten und ihrem Glauben, 1937 löste sie sich von der faschistischen Jugendorganisation. Und als ihr Freund Fritz Hartnagel, von Mut und Ehre der deutschen Wehrmacht schwärmend, 1939 in den Krieg zog, war sie von dessen Haltung abgestoßen. Bruder Hans Scholl sah den Kriegsbeginn da wesentlich kritischer. Sophie war Ende der 30er Jahre noch keine ganz gefestigte junge Frau, das zeigt sich auch in der Beziehung zu Fritz Hartnagel, hier ging es hin und her; sie liebte ihn, doch fühlt sie noch zu jung für eine ganz feste Bindung. Aber in ihrer politischen, und zumal christlichen Haltung musste sie sich nun entscheiden: "Wer um Recht und Unrecht weiß, muss handeln". 1942 geht Sophie zum Studium nach München. Nun entschlossen, aktiv und öffentlich gegen das Regime zu handeln, beteiligt sie sich an der Erstellung und Verteilung von Flugblättern der studentischen Widerstandsgruppe "Weiße Rose", zu deren Gründungsmitgliedern Hans Scholl gehörte. Dass sie da bereits im Visier der Gestapo waren, ahnten sie in Bedeutung und Konsequenz zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht. Das Buch ist gut und interessant geschrieben ohne je ausufernd zu sein. Lebendig ist die Darstellung der Personen, viele Fotos verstärken die Anschaulichkeit. Etliche Namen und Orte laden zum eigenen Nachspüren ein. Da ist zum Beispiel Sophies Briefwechsel mit Fritz Hartnagel, den ich nun lesen werde, auch über den zur Freundesgruppe gehörigen späteren Graphikdesigner Otl Aicher will ich mehr erfahren. Hinweisen möchte ich noch auf Werner Milsteins Buch über den ebenfalls im christlichen Widerstand agierenden Dietrich Bonhoeffer "Einen Platz in der Welt haben" - in ähnlicher Weise konzipiert, ist auch diese Lektüre besonders für junge Menschen geeignet.