schnaeppchenjaegerin
Die New Yorker Linguistin Laura Cuddihy erhält von der betagten Wyona Guinness de Figueras den Auftrag, Schriftstücke zu übersetzen. Dabei handelt es sich um einen 80-seitigen Kodex aus dem ersten Jahrhundert nach Christus auf Aramäisch sowie zwei Übersetzungen davon auf Altfranzösisch und Altgriechisch aus verschiedenen Jahrhunderten. Diese befanden sich bisher verborgen in einem Priesterversteck der Bibliothek auf Wyonas Anwesen, der Bienenvilla in Cornwall. Laura kann selbst nicht feststellen, ob die alten Schriftrollen echt sind, deren Inhalt ist jedoch aufsehenerregend und könnte den Glauben vieler Menschen, insbesondere der Christen, erschüttern. Der Beginn des Romans ist durch die wörtliche Wiedergabe von Teilen des übersetzten Textes etwas langatmig. Der Kodex schildert die Reise von Jesus Christus von Nazareth nach Cornwall, die er im Alter von 17 Jahren mit seinem Onkel, Joseph von Arimathia, unternommen hat. Da es sich dabei nur um Fragmente handelt, hätte ich eine im Rahmen der Handlung in der Gegenwart nacherzählte Zusammenfassung der Ereignisse als ausreichend empfunden und bevorzugt. Erst als sich im späteren Verlauf Details offenbaren, die das Leben Jesu anders als bisher bekannt beschreiben und ihn mehr als gewöhnlichen Mensch denn als Messias darstellen, konnte der Kodex mein Interesse wecken. Durch die Protagonisten findet jedoch kaum eine Reflexion des Textes statt. Während Laura noch fasziniert ist und die problematischen Folgen für das Christentum bedenkt, beschäftigen sich die Erben der Schriften - weder Wyona noch ihr Sohn James, mit dem Laura eine Affäre beginnt - nicht mit den Inhalten. Der Fokus der Handlung wird für meinen Geschmack unpassend auf die entstehende, langweilige Liebesbeziehung gelenkt, die jedoch keine Gefühle weckt, sondern rein sexuell orientiert ist. Die Geschichte wird damit oberflächlich und seicht. Auch die Charaktere empfand ich aufgrund ihrer nicht nachvollziehbaren Entscheidungen im Umgang mit dem Kodex als immer weniger glaubwürdig. Eine derart spektakuläre Entdeckung hinsichtlich der sterblichen Überreste von Jesus Christus nicht weiter aufzuklären oder die Expertise von Theologen und Historikern heranzuziehen, erschien mit widersinnig, unprofessionell und bezogen auf den Auftrag nicht plausibel. Unabhängig davon wie fragwürdig sich die schwach dargestellten Protagonisten verhalten haben, habe ich mir bei diesem brisanten Thema, das den Kern des Christentums betrifft und so unbefriedigend endet, ein Nachwort der Autorin erwartet, um Klarheit zu erhalten, ob die Geschichte reine Fiktion ist oder ob tatsächlich authentische Schriften existieren, die eine andere Interpretation des Lebens Jesu zulassen.