mrsrabe
„Kim Jiyoung ist 33 Jahre alt, 34 nach koreanischer Zählung, denn in Korea gilt ein Kind in seinem Geburtsjahr bereits als einjährig und wird am darauffolgenden Neujahrstag zwei. Sie hat vor drei Jahren geheiratet und letztes Jahr eine Tochter geboren.“ Vor der Geburt ihres Kindes hat Jiyoung studiert und in einer Marketingfirma gearbeitet. Nun betreut sie ihre Tochter, ihr Mann arbeitet viel und ist weder im Haushalt noch bei der Kinderbetreuung eine große Unterstützung. Eines Tages legt Jiyoung ein merkwürdiges Verhalten an den Tag, beginnt mit verstellter Stimme zu sprechen und schlüpft in die Rollen Verwandter oder Freunde, gleich ob diese noch am Leben oder bereits verstorben sind. Die koreanische Schriftstellerin Nam-Joo Cho berichtet in ihrem Roman „Kim Jiyoung, geboren 1982“ vom Alltag einer koreanischen Frau. Ja, berichtet. Die Lebensgeschichte Jiyoungs wirkt wie ein Protokoll, unterlegt mit einigen Fußnoten, die besondere Authentizität bewirken möchte. Diese besondere Art des Schreibens ergibt auch Sinn, wenn man ans Ende des Buches gelangt. In allen Bereichen des Lebens erfährt Kim Jiyoung Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechtes. Schon als Kind musste Jiyoung zugunsten ihres Bruders zurückstecken. Dieser durfte sich ausruhen, während Jiyoung und ihre ältere Schwester mehr und mehr Haushaltspflichten übernahmen. In der Schule wurden die Buben bevorzugt. Fehlverhalten wurde diesen viel eher nachgesehen, während den Mädchen die Schuld an Übergriffen durch männliche Mitschüler, Lehrer oder auch durch Zufallsbegegnungen gegeben wurde. „Du bist selbst daran schuld, weil du dich nicht an die Regeln gehalten hast!“ Auch wenn es Jiyoung möglich war zu studieren, hat sie im Arbeitsleben kaum eine Chance auf Weiterkommen gehabt. Trotz ihrer Mehrarbeit wurden Männer befördert. Jiyoung erkennt diese Ungerechtigkeiten haar genau. Es gibt auch kurze Momente der Rebellion unter den Frauen. Diese gilt es zu bestärken. So finde ich auch den Schluss des Buches ernüchternd bis zynisch. Denn dass es eine Ungleichbehandlung gibt, das ist den Männern wohl bewusst. Doch welchen Grund hätten sie sich aus ihrer bequemen Komfortzone zu begeben, wenn es schlicht zu wenig Widerstand gibt. Männliche Dominanz, männliche Überwachung, männliche Verspottung: koreanische Zustände? Alltagsmisogynie ist gegenwärtig und global! Nam-Joo Cho hat hier ein wichtiges Buch zur Gleichbehandlungsdebatte geschrieben. Nicht nur für Südkorea. Auch hier und heute möchte frau schreien: What's going on!