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seehase1977

Posted on 18.3.2021

Schicksalhafte Prophezeiung – gesellschaftskritischer, berührender und intensiver Roman Mathilde kann stolz auf sich sein. Nach dem Tod ihres Mannes bringt sie ihr Leben, ihre drei Söhne und ihren Job ganz wunderbar unter einen Hut. Vor allem ihr Beruf war ihr wichtig und hat Mathilde immer viel Spaß gemacht. Doch auf einmal ist alles anders. Ihr Chef schließt sie aus wichtigen Sitzungen aus, oder teilt Mathilde nur noch belanglose Aufgaben zu. Was ist passiert? Mathilde ist verzweifelt und am Ende ihrer Kräfte. In ihrer Hoffnungslosigkeit sucht sie eine Wahrsagerin auf, die ihr eine ganz besondere Begegnung prophezeit. Bringt der 20. Mai Mathilde die große Erlösung?… Meine Meinung: Die Bücher, die ich bis jetzt von Delphine de Vigan gelesen habe, haben mich allesamt beeindruckt, berührt und nachhaltig beschäftigt. Der Autorin ist das auch mit dem bereits im Jahr 2009 erschienenen aber jetzt vom Dumont Verlag aufgelegten Roman „Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin“ gelungen. Eine Geschichte, die mich wirklich gefordert und auch an meine Grenzen gebracht hat. Es sind zwei Handlungsstränge die Delphine de Vigan hier präsentiert. Zum einen geht es um Mathilde, um ihr Leben, aber vor allem um ihren Job, den sie immer mit Begeisterung und Elan ausgeführt hat Doch nun macht Mathildes Chef ihr das Leben durch sein Mobbing zur regelrechten Hölle. Außerdem geht es um den Arzt und Allgemeinmediziner Thibault, der seine komplizierte und einseitige Beziehung zu Lila beendet und doch nicht von ihr loskommt. Für beide, Mathilde und Thibault bringt der 20. Mai eine unausweichliche Veränderung. Eng getaktet erzählt die Autorin den Ablauf jenes schicksalhaften 20. Mai. Realistisch und glaubhaft beschreibt sie die Schikanen und unterschwelligen Attacken, die Mathilde über sich ergehen lassen muss. Schilderungen bei denen sich mein Magen zusammenkrampft. Ich kann Mathildes Wut, die Verzweiflung und alles, was das mit ihr macht, so gut nachvollziehen, als würde ich es am eigenen Leib erfahren. Aber auch Thibaults Schicksal berührt mich, wenn auch nicht so intensiv wie das von Mathilde. Den Schmerz den er nach der Trennung von Lila empfindet, die Einsamkeit und Frustration die er verspürt, die seelische Belastung die sein Job ihm abverlangt. All das schwebt düster zwischen den Zeilen. Der Wunsch, zu wissen wie der 20. Mai für Mathilde und Thibault ausgehen wird, peitscht mich durch die Seiten und beschäftigt mich über das gesamte Buch hinweg. Werden sich ihre Wege kreuzen? Ist Thibault vielleicht Erlösung, auf die Mathilde so sehr hofft? De Vigan schafft während der gesamten Story eine düstere, fast hoffnungslose Atmosphäre, die mich völlig vereinnahmt hat. Der eingehende, wenn auch fast schon emotionslose Erzählstil, die beeindruckenden Protagonisten und der schicksalhafte Plot machten es mir leicht, durch die Seiten zu fliegen. Und dann reißt mich das völlig unerwartete, abrupte Ende regelrecht aus der Geschichte und ich bin enttäuscht, verwirrt und irgendwie hilflos. Es dauert eine Weile, bis ich meine Gefühle und Eindrücke sortieren kann und bis die Erkenntnis in mir erwacht, was für ein großartiges Buch ich da gerade gelesen habe! Mein Fazit: „Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin“ ist ein unglaublich intensiver, gesellschaftskritischer Roman der unter die Haut geht. Delphine de Vigan jagt nicht nur ihre Protagonisten, sondern auch mich durch ein Wechselbad unterschiedlichster Emotionen. Die düstere, deprimierende und fast hoffnungslose Atmosphäre und der berührende und eingängige Plot haben mich tief in die Geschichte gezogen und mich in ihren Bann gezogen. Absolut lesenswert!

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