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Lesen macht glücklich

Posted on 12.3.2021

Ich muss zugeben, die Buchreihe um den Kommissar Gereon Rath ist seit Erscheinen komplett an mir vorbei gelaufen. Auch als die Serie Babylon Berlin anlief, bin ich nicht auf den Trichter gekommen, mal in die Richtung nachzuforschen, was es denn mit dieser Serie auf sich hat und ob denn eine Buchvorlage dazu existiert. Vielmehr hat mich der ganze Trubel um die Serie und wie diese gefeiert wurde, abgeschreckt und ich habe sie nicht weiter beachtet. Nun aber, mit dem Anlaufen der 3.Staffel im Herbst letztes Jahr und der Möglichkeit alle drei Staffeln über die Mediathek der ARD zu schauen, war es um mich geschehen. Die Serie wurde trotz mangelnder Zeit und Müdigkeit im November/Dezember weggeguckt wie nüscht und nun gibt es kein Halten mehr, denn nun wollte ich auch unbedingt die Vorlage dazu lesen. Da es sich nun überhaupt nicht vermeiden lässt, werde ich im Folgenden auch den ersten Band der Reihe mit den ersten zwei Staffeln vergleichen müssen. Das Buch ist ein Nervenkitzler ohnegleichen, aber auch die Serie und obwohl viele Parallelen bestehen, so sind auch wirklich wichtige Unterschiede zu benennen, die das Anschauen der Serie nach dem Lesen des Buches trotz des Kennens der Geschichte lohnenswert macht und umgekehrt gilt das natürlich auch. Daher ist dieser Text mehr ein Vergleich zwischen Serie und Buch, spricht aber letztendlich auch ein klares Fazit zum Buch.  Ein Kölner Kommissar im Berliner Haifischbecken Was sofort auffällt sind die Unterschiede zwischen dem ersten Buch und den ersten zwei Staffeln der Serie, die auf Der nasse Fisch basieren. Allein schon wie die Hauptfiguren angelegt sind bringt enormes Potential mit, dass die Serie in eine völlig andere Richtung laufen wird als es die Bücher machen, zumindest was die Hauptpersonen betrifft und die ganzen Entwicklungen, auch wenn manche Eckpfeiler beziehungsweise Wegmarken innerhalb der Geschichte relativ gleich angelegt sind. Da ist zum einen Rath, dessen Grund, warum er in Berlin ist, in der Serie damit begründet wird, dass er delikate Filme finden und vernichten soll, auf denen ein ranghoher Politiker aus Köln zu sehen ist. Dazu hat er noch das Kriegszittern, was er durch seinen Einsatz auf den Schlachtfeldern Frankreichs als Souvenir mit nach Hause gebracht hat. Daraus ist eine immense Drogenabhängigkeit entstanden, bei der es immer schwerer wird, diese vor den Kollegen zu verbergen. Auch bringt dieser Hintergrund mit sich, dass er in die Abhängigkeit einer Berliner Unterweltgröße gerät, der aber auch seine schützende Hand über ihn hält, was in meinen Augen innerhalb der Serie doch zu seltsamen Szenen führt, auf die ich mir noch keinen Reim machen konnte. Auch Charlotte Ritter, die weibliche Hauptfigur in den Romanen und der Serie, ist vollkommen anders angelegt. Während sie im Buch schon bei der Mordkommission als Stenotypistin angestellt ist und nebenbei dafür büffelt irgendwann richtig in den Polizeidienst aufgenommen zu werden, ist sie in der Serie am Anfang noch weit davon entfernt. Außerdem werden ihr in der Serie noch Arbeiten im horizontalen Gewerbe angedichtet, die sich in der Serie zwar „harmonisch“ in das große Ganze der Geschichte einfügen mögen, aber wer das Buch kennt, der wird mir sicher beipflichten, dass ich diese Charlotte Ritter um einiges lieber gesehen hätte. Denn durch ihren Erzählstrang mit der armen und kaputten Familie ergibt sich in der Serie jede Menge Füllmaterial, was der Figur zwar einiges mehr an Tiefe in der Serie verleiht, aber das Geheimnisvolle aus dem ersten Buch geht leider verloren. So ziehen sich diese Änderungen wie ein roter Faden durch die Serie. Und doch ist man während dem Lesen nicht andauernd damit beschäftigt, alles miteinander zu vergleichen. Das macht man eher hinterher. Dazu gleich noch mehr. Zuerst dachte ich, wenn man die Serie kennt, dann ist doch das Buch nur noch langweilig. Ich war jedoch positiv überrascht, wie gut das Buch zu lesen war und überhaupt nicht öde wurde. Das liegt zum einen an dem fantastischen Schreibstil von Volker Kutscher, der es versteht, das Berlin aus den Zwanzigern, diesen dreckigen Moloch, diese Weltstadt, diesen gegensätzlichen Moment auf jeder Seite festzuhalten. Seien es die Ermittlungen bei der Sitte, die versuchen, unsittliche Etablissements auszuhebeln oder die mühsame Ermittlerarbeit, die Kommissare zu dieser Zeit erledigen mussten. Dazu umweht die Seiten schon ein Hauch braunes Deutschland, was der Autor sehr zart einwebt, so wie es in Wahrheit sich wohl auch zugetragen haben muss. Der eigentliche Kriminalfall, der dieses erste Buch behandelt, war zwar an sich schnell gelöst, aber durch die ganzen kleinen bis großen Unterschiede in der Entwicklung der Dramaturgie ergaben sich trotz allem Spannungsspitzen, die einen fortlaufend am Lesen halten und dieses Buch am liebsten in einem Rutsch lesen lassen wollen. Serie oder Buch, was ist besser? Diese Frage kann man nicht eindeutig beantworten. Ich empfand das Buch einen Tick realer, da es nicht den ganz großen Bogen herausholt und die schwarze Reichswehr zelebriert, die es zwar in Wirklichkeit gegeben hat, aber nicht zu der Zeit, in der die Serie spielt. Jedoch ist das ein Fakt, den man während des Schauens der Serie mit einem wohwollenden Augenzwinkern beiseite wischen kann, denn all das ist so spannend umgesetzt, dass man diesen zeitlichen Kniff gar nicht in Frage stellt. Denn selbst wenn es sich zu einer anderen Zeit zugespielt hat, so waren da doch Kräfte am Werk, die mit der zarten Pflanze Demokratie nichts am Hut hatten und somit den Nationalsozialisten richtiggehend in die Karten gespielt haben und das schmerzte beim Zusehen. Dagegen wirkt der Hauptplot des Buches schon ein wenig mager, wenn man das gegenüberstellt. Doch das empfinde ich als gar nicht schlimm, denn zum einen reichte der Plot im Buch bei weitem aus, um große Spannung zu erzeugen und zum anderen hätte es schnell überfrachtet gewirkt. Insgesamt finde ich das erste Buch dieser Reihe um einiges ausbalancierter und straffer als die Serie. Was ich aber dagegen der Serie positiv zugute halte, ist, dass die Serie eigene Wege geht und sich somit auch von der Buchreihe abgrenzen/absetzen kann. Darauf werde ich sicher bei dem zweiten Band im Vergleich zur dritten Staffel erneut eingehen. Was nun aber besser ist? Beides. Jedes Medium hat seinen Reiz und wirkt innerhalb der jeweiligen Umsetzung richtig gut. Ein richtiger Vergleich ist fast nicht möglich, da sich die Serie gegenüber dem Buch viele Freiheiten nimmt und die Figuren und Teile der Handlung mehr als Ankerpunkte dienen, um daraus etwas eigenes zu machen. Wenn man es aus diesem Gesichtspunkt betrachtet wurde mit Babylon Berlin etwas großartiges erschaffen, was der Geschichte aus dem Buch noch einige Facetten mehr abringt und diese erweitert, auch wenn es historisch betrachtet zeitlich an die falsche Stelle platziert wurde und es dadurch manchmal zu Irritationen kommt. Und das ist für eine deutsche Serie auch noch verdammt gut umgesetzt. Aber auch das Buch bereitet Freude, egal ob man die Serie schon kennt oder nicht. Es macht keinen Unterschied, da viele Änderungen in der Serie vorgenommen wurden, dass mir sogar bei manchen Figuren nicht einmal die Seriengesichter dazu durch den Kopf schwirrten, sondern ich meiner Fantasie freien Lauf lassen konnte, selbst bei Gereon Rath und Charlotte Ritter.  Gelungener Einstieg in die mittlerweile achtteilige Buchreihe  Für mich war der erste Band in der Reihe um den Kommissar Gereon Rath ein gelungener Einstieg. An manchen Stellen beweist Volker Kutscher Pageturnerqualitäten ohne dabei in kitschige oder abgelatschte Krimigefielde abzurutschen. Dazu ist das Buch gegenüber der Serie politisch und in der Zeitschiene korrekter dargestellt. Die Reichswehr gibt es hier schlicht nicht und dadurch konzentriert sich der Plot aufs Wesentliche. Dadurch wirkt dieser Roman authentischer und griffiger. Nun bin ich ebenfalls angefixt und Teil zwei „Der stumme Tod“ liegt schon parat beziehungsweise habe ich schon begonnen. Schlaflose Nächte werden die Folge sein. Dazu aber bald mehr.

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