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sommerlese

Posted on 12.3.2021

Petra Reski lässt uns in ihrem Buch "Als ich einmal in den Canal Grande fiel" die Seele Venedigs spüren. Es erscheint im Droemer Knaur Verlag. Petra Reski lebt seit den Neunzigern in der Lagunenstadt und liebt und kennt sie aus nächster Nähe. Sie prangert die Probleme offen an: Kreuzfahrttourismus, Immobilienspekulation und gewissenlose Bürgermeister bringen die Stadt dem Untergang näher. Aber Petra Reskis Bericht zeugt offenkundig von ihrer Liebe zu der neuen Heimat, sie lässt sie in romantischem Licht erstrahlen und stellt die alten Venezianer und die Geheimnisse dieser Stadt vor. Von dieser Lektüre habe ich mich richtig überraschen lassen, denn ich konnte mir unter dem Titel nicht viel vorstellen. Doch als ich zu lesen begann, wurde ich von Petra Reskis Faszination für Venedig angesteckt und ich war nicht nur vom Erzählstil, sondern auch vom Zauber Venedigs gefangen. Ich habe die Bewohner, allen voran Fischer Alberto, und auch die Blicke hinter die Fassaden der alten Gemäuer kennenlernen dürfen. Petra Reski kann so erzählen, als ob man selbst mit dabei wäre und so hört man zwischendurch immer mal einen Gondoliere in einem der Kanäle singen. Ein journalistischer Auftrag lockte Petra Reski nach Venedig, der Liebe wegen blieb sie. Diese Liebe wird stets "der Venezianer" genannt. In diesem Buch erzählt sie, wie sie heimisch wurde, Freunde fand, die Gegend kennenlernte und hinter die Fassaden der Geschichte Venedigs schauen konnte. Die Erzählung ist in Kapitel gegliedert und sie gibt sehr kenntnisreich und unterhaltsam ihr Wissen über die Stadt an ihre Leser weiter. Weil man in Venedig mit dem Boot schneller und unabhängiger von den Besucherströmen ist, kauft Petra Reski sich ein Boot, vielmehr die Anlegestelle, denn ohne nützt auch in Venedig kein Boot etwas. Als sie ihr seltenes Glück fassen kann, geht es auf große Fahrt. Sie lässt uns mit amüsanten Anekdoten an ihren Fahrkünsten teilhaben und macht dabei klar, wie die Regeln auf dem Wasser aussehen. Nicht immer ist das ein einfaches Unterfangen. Sehr unterhaltsam ist die die Schilderung der Hochzeit der Autorin, die nach einigen Überlegungen nicht in Venedig stattgefunden hat. Dadurch gewinnt man einen privaten Einblick in ihr Leben. Der Tourismus ist Segen und Fluch zugleich, einerseits füllt er die Kassen der Souvenierhändler, Gastronomen und der Reisebranche, andererseits fluten die Touristenmassen nicht nur die Plätze in endlosen Strömen, sie sorgen dank der vielen Kreuzschifffahrt auch für eine Überschwemmung der Stadt. Ganz zu schweigen davon, dass die Einheimischen ihre Mietobjekte lieber gewinnbringend als Ferienunterkünfte zu vermieten als an Dauermieter, die vor Ort leben. Die Folge für die Bevölkerung ist die Abwanderung aufs Festland. Wenn man nun glaubt, die Regionalpolitiker könnten eine Hilfe für die Stadt sein, wird man beim Lesen eines anderen belehrt. Sie sorgen durch korrupte Machenschaften für den Verkauf staatlicher Immobilien und vernichten damit günstigen Wohnraum. Selbst das gutgemeinte Flutsperrwerk Mose, dass vor Überschwemmungen schützen sollte, wurde ein Flop in Milliardenhöhe. Außerdem sind die Folgen ein ökologisches Desaster für die Lagune. Wie war Venedig im Mittelalter? Reiche Händler regierten die Stadt, die Häuser zeugen noch heute von dem Prunk vergangener Jahrhunderte. Und die vorgelagerten Inseln wurden Zufluchtsorte für abgesonderte Pestkranke. Doch wie wird es weitergehen mit Venedig, wenn die Gelder der Touristen ausbleiben, die Politiker auf dem Festland nicht mehr ihre "Kuh" melken können? Dieses Buch ermöglicht einen kritischen Blick ins alte und neue Venedig, zeigt auf unterhaltsame Weise die Bewohner und Örtlichkeiten und lässt das Flair Venedigs im Kopfkino aufleben. Nicht nur für Venedigfans eine lohnenswerte Lektüre.

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