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Schattenwege

Posted on 12.3.2021

Warum die Quarantäne nicht nutzen, um sich mal als Schreiberling auszuprobieren und an einem besonderen Kurzgeschichten-Wettbewerb teilnehmen? Mit dem Erhalt von ganzen 1142 Kurzgeschichten hat wohl niemand gerechnet, als Sebastian Fitzek zum gemeinsamen Schreiben aufgerufen hat. Andererseits war es sicherlich schön zu sehen, wie viel Inspiration ein paar Schlagworte liefern können und wie weitläufig die Interpretationen sind. Aus dieser Vielzahl von Storys am Ende dreizehn auszusuchen, die neben zehn weiteren von bereits bekannten Autor*innen in der Anthologie veröffentlicht werden sollen, dürfte eine ziemliche Herausforderung gewesen sein. Dass das Endprodukt aufgrund der Vorgaben nur wenig Überraschung liefern kann, war wahrscheinlich zu erwarten. Alle Geschichten laufen daher nach dem gleichen Schema ab, haben den gleichen Hintergrund und unterscheiden sich im Grunde nur darin, wer sie geschrieben hat und wie die Vorgaben vom Einzelnen interpretiert wurden. Dadurch entsteht trotz der begrenzten Seitenzahl in den meisten Storys durchaus eine gewisse Spannung, einige können sogar wirklich überraschen und selbst eingeschworenen Thrillerliebhabern ein anerkennendes Nicken abluchsen. Dabei schaffen es in den meisten Fällen gerade die Charaktere, den einzelnen Geschichten eine gewisse Würze zu verleihen. Und trotz des vorgegebenen Rahmens haben ein paar der Kurzkrimis durchaus Potential für einen längeren Roman. Wer weiß, welche Idee vielleicht noch weitere ausgebaut werden wird. Die eine oder andere könnte auf jeden Fall als Prolog verwendet werden. Natürlich bringen insgesamt 23 verschiedene Geschichten auch 23 ganz unterschiedliche Schreib- und Sprachstile mit sich, wodurch "Identität 1142" trotz der Vorgaben genügend Abwechslung geboten wird. Während manche Story sehr vorhersehbar ist, regen andere zum Nachdenken an. Eine ist sogar richtiggehend philosophisch und lädt dazu ein, sich auch im Nachgang noch Gedanken dazu zu machen. Auch Fans von viel Blut und Brutalität kommen nicht zu kurz, genauso wie mit Psyche und Ängsten gespielt wird. Außerdem bietet die Anthologie die Möglichkeit, bisherige Skepsis gegenüber einer im Genre bekannten Person fallen zu lassen und den Stil auszuprobieren, ohne gleich ein komplettes Buch lesen zu müssen. Bei anderen Autor*innen freut man sich über ein Wiedersehen mit bereits bekannten Charakteren und stellt fest, dass man viel zu lange kein Buch vom betreffenden Autor bzw. der betreffenden Autorin gelesen hat. Als Gesamtpaket betrachtet kann "Identität 1142" nicht auf ganzer Linie überzeugen, sorgt aber trotzdem für unterhaltsame Lesestunden. Die nahezu einheitliche Länge der einzelnen Geschichten erlaubt wohldosiertes Lesen und ein Weglegen ohne schlechtes Gewissen. Dass manche Laien-Geschichten überzeugender als die der Profis sind, ist sicherlich Geschmackssache – nur eines sollte jedem Leser vorab klar sein: Hierbei handelt es sich nicht um einen klassischen Fitzek. Es ist ein bunter Mix aus verschiedenen Geschichten, denen eine gewisse Vorgabe zugrunde liegt und die, ähnlich wie die meisten Anthologien, mit Höhen und Tiefen verbunden ist. Ein Blick zwischen die Buchdeckel lohnt sich auf jeden Fall, und wenn eine Geschichte nicht zusagt, wird einfach bis zur nächsten vorgeblättert. Fazit: "Identität 1142" ist ohne Frage ein großartiges Projekt, das nicht nur dem Buchhandel zugutekommt, sondern auch die Möglichkeit bietet, einen Ausflug ins Genre zu wagen. Durch die Vorgaben sind die einzelnen Geschichten zwar nicht besonders abwechslungsreich, dennoch bieten sie kurzweilige Unterhaltung. Eingeschworene Thrillerleser dürfen hier nicht zu viel erwarten, denn nur wenige der Storys können tatsächlich überraschen. Insgesamt eine teilweise interessante, teilweise aber auch vorhersehbare Lektüre.

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