wandanoir
Eine Wahl ist eine Gewissensprüfung. Eine Papstwahl ist kein Thriller und so schreibt Robert Harris auch keinen darüber. Trotzdem ist ein Konklave immer spannend. Weil eine Wahl nun einmal einen ungewissen Ausgang hat, dem man mit Spannung entgegensieht. Und weil Rom immer, mal ausgesprochen, mal unausgesprochen, einen italienischen Papst möchte. Mit allem anderen arrangiert man sich, ist aber nicht glücklich. Das ist der Ausgangspunkt nach dem überraschenden Herztod des letzten Papstes, dessen Name ich nicht behalten habe. Der verstorbene Papst war ein Fuchs, nicht sonderlich beliebt bei der Kurie, die er seinerseits nicht sehr schätzte. Er wusste Bescheid über seine Pappenheimer und unterstellte ihnen, sie seien mehr an Geld und Einfluss interessiert als am Reich Gottes. Und einem von ihnen legte er in seinem allerletzten Gespräch, sogar den Rücktitt von allen Ämtern nahe. Aber der Inhalt dieses Gesprächs wird nicht öffentlich und als Lomeli davon erfährt, kann er nichts beweisen. Nun ist er also tot, der Papst, und Dekan Lomeli obliegt die Organisation und Beaufsichtigung des Konklave für die Wahl eines neuen Papstes. Lomeli ist in Gewissensnöten. Zumal er nach und nach weitere Unlauterkeiten entdeckt. Soll er diese aufdecken oder soll er schweigen. Zunächst einmal eine heikle Unterredung unter vier Augen. Dann sieht man weiter. Als nach und nach die vielversprechendsten Anwärter ihre Chancen verspielen, zeigt die Stimmauszählung, dass Kardinal Lomeli selber in den Fokus des Konklave gerückt ist. Kardinal Lomeli wird heiß und kalt. Ist er gar selbst der nächste Papst? Unaufgeregt bringt Robert Harris seine Mannschaft in Stellung. Unaufgeregt, aber doch aufregend. Mir bleibt fast das Herz stehen, wenn ich mich in Lomeli hineinversetze. Diese Gewissensprüfungen! Die Motivationshinterfragung. Das ist nicht leicht, wenn man es ernst mit Gott meint. Harris gibt dem Leser Einblick in das Prozedere, aber auch Einblicke in das Herz und das Denken der obersten Hüter der katholischen Kirche. Den theologischen Richtungsstreit hätte man weiter ausfächern und ausbauen müssen, meiner Meinung nach. Aber ansonsten ist der Roman einfühlsam und nachvollziehbar. Dass Harris dann auf einen Knalleffekt am Ende nicht verzichten kann und damit das authentische Erzählen verläßt, um sensationslüsterne Leser zu bedienen, nehme ich allerdings übel und das kostet auch einen Stern. Von der Kategorie „Anspruchsvoller Roman“ gehts nun abwärts in die Kategorie „Unterhaltung" Gut, "Unterhaltung mit Niveau“. Aber eben nicht mehr Königsgattung. Das ungekürzte Hörbuch: Die Hörbuchfassung wurde von Frank Arnold eingelesen. Ich mochte es, wie viel Charakterisierung Arnold allein schon in die Betonung der Kardinalsnamen legen konnte und auch sonst ist die Einlesung fehlerfrei. Fazit: Einfühlsamer Roman um das Geschehen eines Konklave. Kategorie: Unterhaltung Random House Audio, 2016