herbstrose
Außenseiter … Von den Dörflern werden sie nur die Bagage, das Gesindel, genannt, Josef und Maria Moosbrugger mit ihrer Kinderschar. Sie leben auf einem kleinen Hof abseits des Dorfes, ganz hinten im Bregenzerwald, dort wo der Boden karg und das Gelände steinig ist. Sie sind arm aber stolz - und Maria ist eine Schönheit, die die Begierde der Männer und den Neid der Frauen weckt. Dann beginnt 1914 der Krieg, Josef wird eingezogen und bittet zuvor den Bürgermeister, mit dem er ab und zu zweifelhafte Geschäfte macht, auf seine Familie aufzupassen und sie regelmäßig mit Essen zu versorgen. Dies gäbe ihm die Berechtigung, so denkt der Bürgermeister, bei Maria übergriffig zu werden, aber sie kann ihn abwehren. Doch als eines Tages ein Fremder kommt und sie aufsucht, was im Dorf nicht verborgen bleibt, wird auch Maria schwach – in ihren Gedanken begehrt sie diesen Georg aus Hannover. Die Dorfbewohner tuscheln, und als Maria plötzlich schwanger ist, scheint für alle klar zu sein, wer der Vater sein muss … Die Autorin Monika Helfer wurde 1947 in Au/Bregenzerwald geboren und wuchs in einem Erholungsheim für Kriegsversehrte in Vorarlberg auf, wo ihr Vater Verwalter war. Sie veröffentlichte bereits Romane, Erzählungen und Kinderbücher, für die sie zahlreiche Auszeichnungen erhielt. Themen ihrer Bücher sind oft Familiengeschichten, in die sie ihre Vorfahren und ihre Herkunft mit einbezieht. Seit 1981 ist sie mit dem Schriftsteller Michael Köhlmeier verheiratet. Sie haben vier Kinder, wovon eine Tochter 2003 bei einem Unfall starb. Das Paar lebt in Hohenems/Vorarlberg. In dem Roman „Die Bagage“ erzählt die Autorin die Geschichte ihrer Großeltern und deren Kinder, besonders ihrer Mutter Margarete, dem Mädchen das Grete genannt wird und von dem Josef zeitlebens glaubte, sie sei ein Kuckuckskind und nie ein Wort mit ihr redete. Ihre Informationen erhielt sie hauptsächlich von ihren Onkeln und Tanten, besonders von Tante Katharina, bei der sie und ihre beiden Schwestern nach dem frühen Tod ihrer Mutter aufgewachsen sind. Durch häufige Zeitsprünge zwischen damals und der Gegenwart schafft sie eine Verbindung zwischen sich und ihren Großeltern, deren Tun und Handeln noch über Generationen seine Auswirkungen hat. Wie erlebte Grete die Nichtbeachtung durch Josef, der sie nie als seine Tochter anerkannte, und wie weit leidet Monika Helfer heute noch darunter? Die Autorin bedient sich einer äußerst reduzierten, aber dennoch ausdrucksstarken Sprache und lässt das Leben vor über 100 Jahren wieder lebendig werden. Schonungslos, jedoch sehr liebevoll, berichtet sie von ihrer „Bagage“, ihren Vorfahren, und bringt uns das Schicksal dieser Menschen nahe, ohne zu kritisieren und ohne zu bewerten. Entstanden ist ein sehr persönlicher und einfühlsamer Roman, ein berührendes Denkmal einer außergewöhnlichen Familie, der beim Leser noch lang nachhallen wird. Fazit: Ein wunderbares kleines Buch, für das zu lesen man sich ausreichend Zeit nehmen sollte.