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sinnesgleich

Posted on 1.3.2021

"Einfache Sache, einen Namen zu ändern. Man braucht nur Tinte und ein Blatt Papier. Eine ganze Dimension eines Familienstammbaums ausgelöscht, wenn ein Name abgelegt und ein anderer angenommen wird. All diese Mütter und Töchter und Mütter und Töchter verschluckt in den Namen von Männern." Murasaki erzählt ihrem Freund von ihrer Großmutter Naoe, die 20 Jahre zuvor von Japan nach Kanada ausgewandert ist. Naoe sitzt all die Jahre auf dem schrecklich ungemütlichen Stuhl im Hausflur ihrer Tochter Keiko, behält das Haus und seine Bewohner im Blick, packt jedoch eines Tages bei Nacht und Nebel plötzlich ihre Sachen und verschwindet. Da Keiko ihrer Tochter nie japanisch beigebracht hat, trennt die Sprache Enkeltochter und Großmutter. Nichts desto Trotz haben die beiden eine enge Verbindung und Murasaki spricht über eben diese selbst dann noch mit Naoe als niemand weiß wo sie ist und was sie macht. Wir verfolgen also das Leben dreier Frauen aus unterschiedlichen Generationen, die zu der japanischen Kultur zurückfinden oder sie gar vollkommen abzulegen versuchen. Der Einstieg in die Geschichte viel mir recht schwer, da sich darin viele japanische Sätze und Wörter finden lassen, die dort so ganz ohne Übersetzung stehen gelassen wurden. Das fand ich anfangs recht störend. Das änderte sich jedoch mit der Zeit, als ich bemerkte, dass sich dadurch eine ähnliche Situation wie der zwischen Murasaki und ihrer Großmutter ergibt. Als Leser*in versteht man die Worte zwar nicht, kann sich den Sinn jedoch aus dem Kontext herleiten. Mir gefiel wie Hiromi Goto das Thema Migration anhand der drei Frauen aufgearbeitet hat und dabei jeder einzelnen ihre ganz eigene Stimme gab. Nebenher hat sie es zudem geschafft die verschiedensten Themen einzuflechten - Feminismus, Heimat, kulturelle Identität und Rassismus aber auch das weitererzählen von Geschichten über die Generationen hinweg. Dadurch entwickelt sich die Geschichte jedoch nicht nach einem klaren roten Faden, sondern erscheint stellenweise sogar etwas durcheinander. Das empfand ich als gewöhnungsbedürftig aber nicht als schlecht. "Chor der Pilze" ist ein fabelhafter Generationenroman der die Leben dreier starker Frauen erzählt. Feinfühlig und mit viele Tiefe werden verschiedene Themen, im Mittelpunkt das der Migration, aufgegriffen. Definitiv eine tolle Geschichte die weitaus mehr Aufmerksamkeit verdient! Rezensionsexemplar vom Cass-Verlag. Vielen Dank, dass ihr solch außergewöhnliche Geschichten für uns herausbringt!

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