Gabriele
Als bekennende Zirkusliebhaberin dachte ich, nicht um dieses Buch herum zu kommen. Anfangs war ich auch recht angetan. Der Autor führt in den ersten sieben Kapiteln einige Bewohner der kalabrischen Kleinstadt Girifalco ein. So bekommt man als LeserIn einen guten Überblick über die Eigenheiten der Menschen. Da gibt es Lulù, den verrückten Musikliebhaber, Cuncettina, die sich vergeblich nach einem Kind sehnt, der nach seinem Bruder suchenden Archidemu, die eifersüchtige Mararosa, den Frauenhelden Venanziu, das Glückskind Rorò sowie den kleinen Angeliaddu. Alle sind so beschrieben, dass man schnell eine Beziehung zu ihnen aufbaut und das Lachen über so manche menschliche Eigenschaft nicht ausbleibt. Im achten Kapitel ändert sich die Erzählweise. Alle warten auf den 15. August, an dem nicht nur eine Prozession zu Ehren der Muttergottes stattfindet, sondern zur ganzen Festwoche auch Karrussels aufgebaut werden. Doch die bleiben dieses Jahr aus nicht genannten Gründen fern. Dafür verirrt sich ein Zirkus in das Städtchen und der Autor beginnt, die Protagonisten miteinander agieren zu lassen. Anfangs empfand ich das als eine durchdachte Komposition. Allerdings verliert sich Dara nun in Einzelheiten, die die Geschichte so gar nicht mehr vorwärtsbringen und den Lesefluss immer mühsamer werden lässt. Erst zum Schluss hin nimmt die Erzählung nochmal etwas Fahrt auf, um dann in einem runden Ausklang zu enden. Dies ist nach „Der Postbote von Girifalco“ der zweite Roman von dem 1971 geborenen Domenico Dara. Der Autor, der in Italien schon zahlreiche Preise gewonnen hat, setzt damit seiner Heimatstadt ein nettes Denkmal. Obwohl seine Romane in Italien begeistert aufgenommen wurden, bin ich nach dem Lesen zwiegespalten. Im Mittelteil quälte ich mich über weite Strecken durch das Buch, weil der Autor zu ausschweifend erzählt. Vielleicht unterscheidet sich die italienische und deutsche Mentalität doch grundlegend? Oder muss man das Buch in kleinere Abschnitte einteilen, um die Feinheiten der Erzählweise zu entdecken? Denn zwischendurch taucht immer wieder Daras augenzwinkernder Humor auf, der mir ein Grinsen aufs Gesicht zauberte. „Girifalco wurde im Norden von der Nervenheilanstalt und im Süden vom Friedhof begrenzt, sodass seine Bewohner sich täglich zwischen Wahnsinn und Tod bewegten.“ (Seite 102) Wer den Roman übrigens wie ich wegen des Zirkus im Titel zur Hand nimmt, sollte sich nicht allzu viel Zirkusflair erhoffen. Zwar werden die Artisten und ihre Kunststücke vorgestellt, doch sorgen vor allem die Bewohner des süditalienischen Städtchens mit ihrem Verhalten für Zirkus, der durch die Zirkusleute weiter angefacht wird.