Profilbild von lit.erally.love

lit.erally.love

Posted on 26.2.2021

Es gibt Bücher, bei denen schon beim ersten Satz klar ist, dass es eine besondere Geschichte sein wird. "Im Wasser sind wir schwerelos" ist so eines. Der erste Satz ist unglaublich schön, reißt einen sofort mit und gibt den Ton vor für den eleganten, etwas überladenen Schreibstil, mit dem Thomasz Jedrowski das Polen der 1980er Jahre und die erste große Liebe von Ludwik beschreibt. Jahre später blickt der Erzähler Ludwik auf Aspekte seines Lebens zurück - in einem Brief, den er an Janusz richtet, seinen ersten Freund. "Im Wasser sind wir schwerelos" ist in mehr als nur einer Weise eine Liebesgeschichte. Mehr als die von Anfang an zum Scheitern verurteilte Beziehung zwischen Ludwik und Janusz haben mich die Beschreibungen Polens beeindruckt. Wenn Jedrowski von traditionellen Mahlzeiten spricht oder die Landschaften beschreibt, fühlt es sich fast so an, als würde man gemeinsam mit Ludwik Rüben ernten, auf einer Feier zu Blondie tanzen oder in der Natur campen. Einige Details, wie eine Radiofrequenz oder ein Buch, ziehen sich durch das ganze Buch. Die Atmosphäre ist dicht, Ludwiks Zerissenheit fast schmerzhaft spürbar. Es ist, was das Buch für mich rettet - die Charaktere tuen es nämlich nicht. Keiner stand mir besonders nahe, alle waren seltsam distanziert. Die Beziehung zwischen Ludwik und Janusz war für mich schwer nachvollziehbar. Ich habe mich immer wieder dabei erwischt, im Kopf die bisher genannten Charaktereigenschaften aufzuzählen, um die Personen nicht komplett zu verlieren. Dabei waren die Konflikte zwischen ihnen an sich sehr interessant, das Potenzial war vorhanden. Letztendlich wäre das Buch mit nur 50 Seiten mehr für mich noch besser gewesen. So ging alles doch etwas schnell - es passt, auf eine Weise, machte es mir aber schwer. Wer sich für das Polen der 1980er Jahre als Schauort und einen beeindruckenden Schreibstil mit (SEHR) vielen Metaphern begeistern kann, sollte zugreifen. Wer vor allem eine Liebesgeschichte sucht, die Eindruck hinterlässt, ist meiner Meinung nach fehl am Platz. (Werbung/Rezensionsexemplar)

zurück nach oben