Buchdoktor
<<<Drei Frauen namens Ada, drei Länder, drei Epochen, die Unendlichkeitsschleife und die Umkehrung der Erzählrichtung>>> 1459 wird Ada in Westafrika ein Kind geboren, das kein langes Leben zu erwarten hat. Eine Kultur, in der die Schwestern einer Frau zugleich Mütter ihres Kindes sind, trifft auf Weiße, die in Afrika unermessliche Reichtümer erwarten. 1848 arbeitet in Stratford-le-Bow in bürgerlichen Verhältnissen eine andere Ada zur Wahrscheinlichkeitsrechnung, es ist offenbar Ada Lovelace. Sie regt sich über den ältesten Fall von Mansplaining auf, bewahrt jedoch äußerlich die Contenance. Ihr Lover Charles meint offenbar, ihre Berechnungen zu eine „analytischen Maschine“ korrigieren zu müssen. 1945 wird eine weitere Ada polnischer Herkunft im Konzentrationslager Mittelbau-Dora zur Prostitution gezwungen. Ergänzend zu den Icherzählerinnen des ersten Erzählzyklus kommen Gegenstände zu Wort, ein Besen aus Palmwedeln, ein Türklopfer, eine Hütte, ein Reisepass. So gesellt sich zur Frage, was drei Frauen namens Ada verbindet, das Rätseln darüber, ob Gegenstände die begrenzte Sicht von Icherzählerinnen einer bestimmten Epoche erweitern können, weil sie z. B. die einzigen Zeugen einer Szene sind. Frauen unterwarfen sich Sitten und Geboten ihrer Zeit, zwei von ihnen verfügten vermutlich über einen eingeschränkten Wortschatz. Ein Gegenstand kann unzensiert sprechen und Unaussprechliches dokumentieren. Doch das liegt in der Interpretation von Sharon Dodua Otoos Leserinnen. Der erste Teil des Romans scheint kreisförmig wie die erste Schleife einer liegenden Acht erzählt zu werden. Auf ein kurzes Verbindungsstück folgt die zweite Schleife, in umgekehrter Richtung erzählt und mit der Generation der Mütter als Thema. Ada in England muss ihrem Dienstmädchen Lizzie vertrauen. Lizzie ist vor der Hungersnot in Irland nach England geflüchtet; ihre Gnädigste zeigt eine erschütternde Unfähigkeit sich in andere Lebensverhältnisse einzufühlen. In Westafrika werden Land und Menschen von Fremden ausgeraubt. Im Europa der Gegenwart schließlich sind zwei Schwestern mit afrikanischen Vorfahren dabei, den Traum ihres Vaters von diesem Europa zu verwirklichen. Am Ende der zweiten Schleife sind alle Figuren und Gegenstände zueinander in Beziehung gesetzt. Das Schicksal der drei Adas mitsamt den Kommentaren offenbar belebter Gegenstände hat mir in verblüffender Weise die Leinwand bereitgehalten, auf der ich mein eigenes Bild von Rassismus, Kolonialismus und Frauenunterdrückung zusammenfügen konnte. Welches Gemälde dabei entstanden ist, entlarvt mein eigenes Denken. Ein großartiger Roman – Respekt!