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stefanie aus frei

Posted on 23.2.2021

24981 Die Handlung findet statt von Dezember 1963 bis Dezember 1964. Die junge Eva Bruhns aus Frankfurt hat einen Freund, der sich am 3. Adventssonntag ihrer Familie vorstellen will. Es gibt die ältere dickliche und dauer-essende Schwester Annegret, Säuglingsschwester im Stadtkrankenhaus, 28, den kleinen Bruder Stefan, sowie die Eltern Ludwig und Edith. Sie betreiben das „Deutsche Haus“ in der Berger Straße, der Vater ist dort Koch. Mit ihrem Fast-Verlobten hat Eva das große Los gezogen, denn Jürgen Schoormann soll der Nachfolger seines Vaters für dessen erfolgreichen Versandhandel werden. Doch Jürgen ist zögerlich, häufig distanziert und hoffnungslos konservativ: Die Frau habe sich unterzuordnen, punktum. Doch bislang arbeitet die als Dolmetscherin für Polnisch ausgebildete Eva für eine Agentur und wurde gerade für einen wichtigen Gerichtsprozess angefordert. Dieser stößt auf wenig Gegenliebe bei Jürgen oder ihren Eltern und auch nicht in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung. Der Roman bezieht sich auf die in Frankfurt durchgeführten ersten Auschwitzprozesse https://de.wikipedia.org/wiki/Auschwitzprozesse Jetzt kommt mein Dilemma: das Thema ist wichtig. Meiner Erfahrung nach wissen die Menschen mehr über die Verbrechen zur Zeit des Nationalsozialismus als über den Umgang damit in der Zeit danach. Umso wichtiger finde ich bei beidem einen angemessenen Umgang. Ja, das Buch geht respektvoll mit dem Thema um und findet in der anfangs naiven jungen Frau eine Sympathieträgerin, die den Leser durch das Buch führt. Es gibt aber sonst sowohl positive als auch negative Aspekte: Negativ fand ich einen großen Anteil an schlichtem Kitsch. „Eva spürte, wie ihr ein Tropfen Schweiß über die Mitte des Rückens bis in die Poritze lief.“ S. 86 fand ich noch fast komisch. Die Satzstruktur vermittelt teils gewollte Dramatik: „Am Fenster in der ersten Etage über dem Schriftzug , über den Buchstaben , stand eine hellbraune Gestalt und sah auf Eva hinab. Ihre Mutter. Sie schien unbewegt, aber Eva hatte den Eindruck, als nehme sie Abschied. Eva drehte ihr schnell den Rücken zu. Sie schluckte. Das fehlte noch. Jetzt weinen.“ S. 8 Hatte die Autorin Atemlosigkeit beim Schreiben? Komplett unsinnig fand ich den Nebenplot mit dem Todesengel und nur in Ansätzen hilfreich weitere Nebenplots wie die wahre Geschichte von David oder die Erlebnisse von Schoormann Senior. Wer eine evangelische Familie begleitet in deren Sicht, sollte auch nicht von „Evangelen“ sprechen. Ansonsten waren die vorbereitenden Hinweise etwas dick aufgetragen; da wurde mit dem ganzen Zaun gewunken: Der Mutter wird vom Brandgeruch immer schlecht, sowohl Eva als auch ihr Vater gehen nicht gerne zum Friseur (warum überhaupt der Vater?) oder ganz zu Beginn wird bereits auf S. 22 gesagt, dass der Vater lügt, wenn er behaupt in einer Feldküche an der Westfront gewesen zu sein. Das ist das Niveau von Groschenromanen. Und wie Eva überhaupt dazu kommt, ausgerechnet Polnisch als Dolmetscherin zu lernen, ist auch aus der Sicht ihres fünfjährigen Ich nicht wirklich einleuchtend. Und warum bitte bitte bitte dieses an Trivialität nicht zu übertreffende Ende? Dann aber kommen Stellen, die sind so richtig gut getroffen. Das Kleinbürgertum, die Spießigkeit gegenüber Ausländern und das Dilemma der Nachgeborenen kommen authentisch rüber. Die Anzeige, die von der Mutter gestellt wurde, hat mich überrascht. Die Reaktion von Jaschinsky darüber, was Eva von ihm will, stellvertretend für die Deutschen, trifft genau: „Trost. Sie wollen, dass wir sie trösten.“ Die Erkenntnis von Eva ist stark, dass es ihr nicht zusteht, dass sie kein Recht hat auf ihr Selbstmitleid. Wäre doch nur der Rest auf diesem starken Niveau geblieben. Was mache ich jetzt damit? Thema und die wenigen, aber starken Glanzlichter: 5 Sterne plus. Der Groschenroman-Anteil – keine 3 Sterne. 3 Sterne insgesamt. Ich habe einfach schon gelungenere Romane, selbst gelungenere Krimis, zum Thema gelesen. https://www.auschwitz-prozess.de/ https://www.spiegel.de/geschichte/stadtgeschichte-a-949057.html#fotostrecke-f1839d31-0001-0002-0000-000000108867 Bild 14 zeigt den Gerichtssaal mit dem oft erwähnten Bild

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