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Bücherratte

Posted on 23.2.2021

Endlich fand ich die Zeit die Brecht'sche Fassung der Antigone von Sophokles zu lesen. Zu diesem antiken Stoff gibt es ja wirklich unzählige grandiose Fassungen, er ist einfach zeitlos. In Brechts Fassung gibt es eigentlich nur zwei Szenen. Die erste spielt im Jahre 1945 und handelt von zwei Schwestern, die zwei Brüder haben. Beide dienten im zweiten Weltkrieg für Deutschland, doch einer verweigerte den Kriegsdienst und wird so alt Vaterlandsverräter geächtet und seine Leiche wird zur Schau aufgehängt. Eine Schwester möchte ihn losschneiden und rechtmäßig bestatten, während die andere zu große Angst hat von der SS erwischt und ebenfalls getötet zu werden. Wer auch nur ansatzweise mit dem Antigone-Stoff vertraut ist, wird hier die Parallelen erkennen. Die zweite Szene spielt dann, wie gewohnt, im antiken Theben und wir begegnen auch den erwarteten Personen. Der Konflikt der Brüder Eteokles und Polyneikes ist hier nicht der Streit um den Thron als Nachfolger Ödipus', sondern ein Krieg, den Kreon gegen Argos führen lässt. Eteokles fiel auf dem Schlachtfeld und wird als Vaterlandsheld geehrt, während Polyneikes aus dem Krieg floh und als "Memme" verachtet nun vor den Toren Thebens verwest. Ihn zu bestatten ist nicht erlaubt. Antigone kann diese Zustände nicht ertragen und widersetzt sich Kreons Gesetz, woraufhin auch sie von ihm mit dem Tod bestraft wird. Stilistisch belässt Brecht das Stück in altgriechischer Tradition, baut jedoch Vokabular ein, das für das 3. Reich typisch war. Beispielsweise wird Kreon von seinem Volk "Führer" genannt. Grundsätzlich ist die Rolle des Kreons noch kaltblütiger angelegt, als dies im Original sowieso schon der Fall ist. Antigones Rolle als starke Rebellin und emanzipierte Frau wird sehr gut herausgearbeitet, besonders im Gespräch mit Kreon, wo sie seine grausame Kriegsführung und seine Repressionen gegen das eigene Volk kritisiert und von ihm ebenfalls als "Vaterlandsverräterin" degradiert wird. Brechts Fassung wird dem Original also definitiv gerecht und erzählt den altbekannten Stoff auf neue Weise mit neuen und altbekannten Elementen und gesellschaftskritischen Punkten. Vielleicht nun meine liebste Adaption.

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