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Buchdoktor

Posted on 23.2.2021

Mit 12 Jahren trägt Samaa kurze Haare und darf noch nicht an den Gesprächen der älteren Mädchen und der Frauen teilnehmen. Noch glühender als Tewida, die ihr Haar schon lang trägt, beneidet sie jedoch die Jungen ihres Volks, die die Männer auf der Jagd nach Holz begleiten dürfen. Die junge Icherzählerin lebt in einer Zukunft, in der der Klimawandel die Welt zur Wüste und für Menschen beinahe unbewohnbar gemacht hat. Der Sauerstoff zum Atmen ist schon knapp geworden. Bäume sind so selten, dass die Jäger des Holzes monatelang unterwegs sind – und Holz ist in Pavlenkos Utopie die einzige Tauschware, mit der die Erdbewohner handeln können. Die Menschen wissen, dass sich in Dolinen (großen Löchern) im Erdboden Wasser sammelt und nur hier Bäume gedeihen. Sie haben noch nicht erkannt, dass dort Wasser zu finden ist, weil Bäume verhindern, dass der Boden austrocknet. Die Älteste des Volkes, die die Babys gesund zur Welt bringt, hat bisher vergeblich gepredigt, die Bäume unbedingt zu schützen. Für ihre Heilkunst verwendet sie Baumrinde, Blätter und Früchte von Pflanzen. Sie wird bald sterben – und ohne Wissen über die Zusammenhänge wird Samaas Wüstenvolk aussterben. Samaa kann nicht einsehen, warum nur Männer Jäger werden können, weil sie besser und erfahrener wären als Frauen. Die Erwachsenen müssten doch einsehen, dass auch ein Mädchen auf einer Baum-Jagd nützlich sein kann. Dass die Älteste Samaa inständig bittet, die Männer von der Baumjagd abzuhalten, gibt schließlich den Ausschlag. Heimlich bereitet sie sich darauf vor, der nächsten Jagd-Gruppe zu folgen. Samaa ist klug, doch sie scheitert beinahe daran, dass sie noch nie einen lebenden Baum gesehen hat und die Lebewesen, die auf ihm und um ihn existieren. Kurz vor dem Verdursten wird sie gefunden und kehrt mit der Botschaft zurück, dass Bäume Lebewesen sind. Niemand würde doch seinen Nächsten abholzen und in Stücke zersägen!? Samaas Geschichte wird in der Gegenwart alle 10 Jahre von einem ihrer Nachkommen vorgelesen. Möge das lange so bleiben. Samaas Erlebnisse zeigen anschaulich, dass mit der Natur auch das Wissen über ökologische Zusammenhänge stirbt. Menschen der Zukunft könnten schon bald ignorant den Kopf schütteln über den Zusammenhang zwischen Wäldern, Sauerstoff, Wasser und einem für Menschen erträglichen Klima, wenn sie nichts davon selbst erleben. Mit Samaa hat Marie Pavlenko eine Figur entwickelt, mit der Kinder sich leicht identifizieren können. Sie legt Samaa zwar etwas zu erwachsene Gedanken in den Mund, kann die Zusammenhänge zwischen Wissen und Handeln jedoch überzeugend darstellen. Ein kurzer Text in großer Schrift, der auch für ungeübte Leser zu bewältigen ist.

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