jankuhlbrodt
Gastland auf der Messe in diesem Jahr ist Portugal. Einige Verlage haben sich darauf eingestellt, in dem sie portugiesische Literatur in Übersetzungen präsentieren, und so auch der österreichische Verlag Edition Korrespondenzen. Er präsentiert Goncalo M. Tavares. Ein Autor, den man als eine Art Hans Dampf in allen Gassen bezeichnen kann. Er schreibt auf verschiedenen Ebenen und unterrichtet Erkenntnistheorie an der Universität Lissabon. Dass zwischen Literatur und Erkenntnis eine gewisse geschwisterliche Beziehung besteht, wird niemand bestreiten, auch wenn die Aufklärung diese Bande zuweilen etwas zu fest und einschnürend für beide Seiten geknüpft hat, aber gerade die portugiesische Literatur hat ja in Fenando Pessoa zum Beispiel einen Vertreter gefunden, der durch eine beständige kraftvolle Bewegung der Gedanken unter anderem in seinem „Buch der Unruhe“ die Fesselung lockerte, die Schrift aus der Umklammerung löste, ohne neuerlich in Mystizismus zu kippen. Tavares breitet nun in einer Reihe von Büchern ein Viertel aus, das von illustren Persönlichkeiten der Geistesgeschichte wie Brecht, Calvino oder Eliot bewohnt wird, und einigen von ihnen hat er ein Buch gewidmet. Dem ersten, dem ich in diesem „Asterix'schem“ Dorf, wie der Autor es nennt, begegnet bin, ist Herr Valéry. Das Buch heißt: „Herr Valery und die Logik.“ „Herr Valéry ging immer dieselben Straßen entlang, immer in den selben Schuhen. Ein paar für jede Straße. Seit er geboren war, lebte er da, aber er kannte nur 5 Straßen, die er immer mit seinen 5 unterschiedlichen Paar Schuhen entlangging.“ In einer Geschichte allerdings kommt der Protagonist mit den Schuhen auch durcheinander. Nichts ist so einfach, wie es scheint. Zugegeben war diese Begegnung nicht ganz zufällig, denn seit ich vor vielen Jahren Valérys „Herr Teste“ zum ersten Mal las, gehört er zu den Säulenheiligen meines literarischen Kosmos. Ich war also gespannt, wie er mir von Tavares vorgestellt werden würde. Wir lernen Herrn Valéry hier als Flaneur kennen. Und als einen etwas kauzigen kleinen Mann, der zu allem eine Theorie entwickelt, weil er hinter allem eine kaum aufzulösende Widersprüchlichkeit sieht. Daraus entwickeln sich kuriose Verhaltensweisen. Zum Beispiel die Maxime, Gegenstände zur Linken nur mit der linken Hand und solche zur rechten nur mit der rechten Hand zu berühren. Was zunächst einfach klingt, wirft aber aufgrund der Relativität ein Gespinst an Folgeproblemen auf, so dass aus einer einzelnen Maxime letztlich eine ganze Maximenschleuder wird. „Auf Nachfrage eines Freundes erklärte Valéry dann: - Die sehr schweren Dinge stelle ich genau mittig auf die Linie.“ In 25 kurzen Geschichten verfolgt Tavares den Gang Valérys durch das Viertel und seine gedanklichen Verstrickungen. Es ist ein amüsantes Flanieren in den Netzen der Logik, aber auch in einer Verkettung von Kurz- oder Fehlschlüssen. Aus dem Portugiesischen wurde das Buch von Michael Kegler übersetzt. Und es ist, weil Herr Valéry seine Theorien zeichnerisch begleitet, mit Zeichnungen von Rachel Calano ausgestattet, die allein schon eine Anschaffung wert sind.