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thelidel

Posted on 19.2.2021

Herrlich humorvoll und ergreifend emotional Zuerst muss ich anmerken, dass sich meine Erfahrung mit Theater (-stücken) auf die obligatorischen Schullektüren und gelegentliche Besuche von Aufführungen benachbarter Dorftheatervereine beschränkt. Die zwei Stücke „Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten“ und „Einladung zum Klassentreffen“, waren ein erfrischender (wieder-) Einstieg in dieses Genre. Jetzt aber erst einmal zu „Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten“: Bei dem Beamten Hans Fredenbek dreht sich alles um den Beruf. Um Verordnungen und Paragrafen und Formblätter. Der Protagonist ist mit seiner Arbeit verheiratet, denn „[w]er dienstliche Vorgänge entsprechend behandelt, wird auch von ihnen nicht enttäuscht werden“. Er lebt für jedes Detail, für jede Regelung und ist wohl der Inbegriff des preußischen Beamtentums, einer diskriminierten Minderheit, wie er findet. Während er darüber nachgrübelt, was eine bestimmte Abkürzung in seinem Terminkalender zu bedeuten hat, sinniert er über sein Leben nach und erzählt dem Leser/Publikum diverse Anekdoten. Dabei schweift er immer wieder in irrwitzige Gedankengänge und Überlegungen ab. Er verbreitet in einer gefühlt endlosen Enumeration interessante – aber dennoch vollkommen unnütze – Fakten, die für ihn von größter Bedeutung zu sein scheinen. Obwohl seine abstrusen Überlegungen äußerst realitätsfremd sind, analysiert er die Vorschriften auch hier zu Tode und verhält sich in den absurdesten Situationen vollkommen rational und hat alle geltenden Vorschriften im Kopf. Neben seinem Beruf scheinen Frauen das zweite zentrale Thema, welches den Protagonisten, unbemerkt, schwer beschäftigt, zu sein. Während er seinen beruflichen Alltag schildert und dabei eine gefühlte Ewigkeit über Radiergummis lamentiert, projiziert er die Erläuterung irgendwann unbemerkt auf Frauen. Seine eigene Frau hätte ihn wohl gerne präsenter und „möchte nicht zum zuständigen Sachbearbeiter [in Ehe Angelegenheiten] durchgestellt werden“. Dabei verwendet er mehr Energie auf die Analyse der „stockfinsteren Grotte“ der weiblichen Seele und erläutert eine detaillierte, absurde Choreografie zum Umwerben einer Frau. Hätte er nur mal diese Energie zum Entschlüsseln der Abkürzung in seinem Terminkalender genutzt… Der Autor versteht es mit Sprache und Redewendungen zu spielen. Die Charaktere, wie bspw. der Chef Rauschenberg, werden kreativ und A-K-T-I-V skizziert und lockern mit ihren humorvollen Angewohnheiten die Geschichte auf und bringen den Leser oftmals dazu, wie ein Homann-Gummi (gehässig) zu lachen. Eines lässt sich mit Sicherheit sagen: Im Büro des Herrn Fredenbek, in welchem er mit größter Anstrengung versucht akkurat und korrekt jegliche Vorschriften zu befolgen, geht’s zu wie im Theater und das ist herrlich! Im Gengensatz zum ersten Stück, ist „Einladung zum Klassentreffen“ ganz anders angesiedelt. Während Marina, mittlerweile als Lehrerin tätig und frisch geschieden, gerade im Zug auf dem Weg nach Hause sitzt, erhält sie einen Anruf von ihrem ehemaligen Schulkameraden Carsten, der sie zu einem Klassentreffen einlädt. Während des Telefonats kommen sie auf alte Zeiten zu sprechen und was sie momentan miteinander verbindet. Die Wiederentdeckung längst verjährt geglaubter Gefühle füreinander, veranlasst auch eine Gruppe Mitreisender zum Mitfiebern. Es handelt sich um eine warmherzige, ergreifende Geschichte über zwei Menschen, die zur richtigen Zeit zusammenfinden. Die Protagonisten erscheinen humorvoll, gewitzt und schlagfertig. Nach dem buchstäblichen „Griff ins Klo“, bezogen auf Marinas Ex-Ehemann, wird der Zuschauer/Leser selbst zur Dame im Nebenabteil und möchte am liebsten seine eigene E-Mail-Adresse hinterlassen, um zu erfahren, wie es bei den Beiden weitergeht. Diese Geschichte, die sich durch den Dialog der beiden herauskristallisiert, wird durch die Zuhörer im Zug, die ihre eigenen, schönen Geschichten miteinbringen, zu etwas ganz Besonderem.

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