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Winterleuchten am Liliensee von Elisabeth Büchle Es waren einmal drei Brüder….! Spaß! Trotzdem: Heute geht es um Familie, um Einsamkeit, Alleinsein, sich vergessen fühlen. Aber auch um Vorurteile, und das Ankommen bei Menschen, die nicht immer unserer Familie zugehörig sein müssen. Und da all diese Themen in der Geschichte vorkommen, und aufeinanderprallen, fange ich heute gleich, und ohne viele Vorworte an, etwas über das Buch zu erzählen. Die Gedanken dazu kommen also an späterer Stelle. Die Geschichte, die das Buch erzählt: Wir schreiben das Jahr 1965. Lisa aus der Großstadt reist in den Schwarzwald zu den Vogels. Mutter Charlotte Vogel ist eine alte Freundin ihrer verstorbenen Mutter. Da diese sich, auch im Leben, nie richtig um ihre Tochter gekümmert hat, sieht Lisa nun die Chance, sich in einer Familie zugehörig zu fühlen. Denn das ist etwas, das ihr gesamtes Leben gefehlt hat. Doch so einfach ist das natürlich nicht. Denn da ist ja noch Robert, einer der drei Söhne von Charlotte, der allem und jedem gegenüber misstrauisch ist, und in allem Betrug sieht, und seine Familie davor schützen will. Doch auch Charlotte hat Pläne. Ihre drei Söhne sollen nämlich unter die Haube, natürlich nach und nach. Und so sieht sie in Lisa eine potenzielle Schwiegertochter. Die Berge des verschneiten Schwarzwaldes sollen es richten, und so bricht Robert mit Lisa zu einer Tour auf. Doch die Berge im Winter bergen auch Gefahr. Und überhaupt, kommt ja meistens alles ganz anders, als geplant. Lisas Ängste und Roberts Ängste sammeln sich in einer Hütte, und irgendwie entsteht dort eine ganz besondere Atmosphäre. Man meint fast, etwas entsteht, was beide so nie gehabt haben, und nach dem sich beide sehnen. Und wie so oft, in solchen Romanen, geht das Ganze nicht ohne Probleme und mächtige Bedenken voran. Lest also, wie man Nähe aufbauen kann, ohne sich körperlich nah zu sein. Cover und Titel: Das Cover finde ich sehr passend, weil es winterlich, und trotzdem hoffnungsvoll, und wunderschön aussieht, und uns zeigt, dass Winter nicht immer nur grau und dunkel sein muss, sondern auch mit Helligkeit, Licht, und damit Hoffnung verbunden sein kann. Deswegen auch der schöne Titel des Winterleuchtens. Und der Liliensee? Nun ja. Ich bin mir sicher, der ist im Winter genauso schön anzusehen, wie auch im Frühling oder Sommer. Aber hier erscheint er fast glitzernd winterlich :) Fazit und Gedankenallerlei: Wir lernen auch hier wieder die Protagonisten unheimlich gut kennen, dürfen in ihr Inneres sehen, fühlen mit ihnen mit. Sie sind uns sympathisch, nicht fremd, sondern erscheinen uns sehr nah. Genauso, wie ich es mag, da mir die Charaktere in den Geschichten immer das Wichtigste sind. Und so liebe ich es, wenn es einem fast so erscheint, als ob man die Menschen kennen würde, obwohl man sie erst kürzlich zu Anfang des Buches kennengelernt hat. Man verbindet mit ihnen die gemeinsame Geschichte, und das gemeinsam erlebte. Sie sind also sehr gut gezeichnet. Lisa die Städterin, die nichts mit Natur am Hut hat (denkt Robert), und Robert der unfreundliche Kerl (denkt Lisa). Dabei ist es ganz anders. Lisa genießt die Natur und die Umgebung, den Wald, den Winter, und vor allem den Liliensee. All die Landschaft gibt ihr Geborgenheit und Frieden und Ruhe. Und wer Natur liebt, der weiß, wie recht Lisa damit hat. Zusammen mit Lisa erleben wir die Landschaften rund um das Forsthaus, genauer gesagt einen Teil des Schwarzwaldes, und fühlen uns durch den Schreibstil mitten hineingezogen. Lisa selbst zeigt sich von einer ganz anderen Seite, als ihr Äußeres annehmen lässt. Sie ist verletzt im Inneren, erscheint wie ein scheues Reh, welches sie aber gar nicht ist, weil da auch Stärke in ihr wirkt. Außerdem mag ich ihre Eigenart, dass sie ständig vor sich hinredet. Etwas, das mir irgendwie bekannt vorkommt. Trotzdem zweifelt sie an sich, und glaubt sich nicht liebenswert, da ihre Mutter sie weggegeben hat, und ihr eigenes Leben über das ihres Kindes gestellt hat, ihrem Kind gegenüber kein Verantwortungsgefühl zeigt. Ich finde es schön, dass Menschen im Buch nicht verurteilt werden, die eine falsche Selbstwahrnehmung haben, sich ungewollt fühlen. Denn viele wissen gar nicht, dass es Menschen mit solchen Störungen gibt, und erst recht nicht, wie mit ihnen umzugehen ist. Weiter habe ich gemocht, dass die Wandlung sichtbar war von Jemandem, der dachte, dass alle ihn nur verurteilen und sich ein Urteil über ihn bilden. Lisa hat sich durchgebissen und eine Wandlung durchgemacht, die mir gefallen hat. Ein Gefühl des gewollt seins und akzeptiert werdens, Respekt und Anerkennung, sind übrigens für jeden wichtig. Das Buch beschäftigt sich sehr mit dem Thema der Einsamkeit in all seinen Formen. Der selbstgewählten Einsamkeit, aufgrund von Enttäuschung, und der Einsamkeit, die man sich nicht aussucht, weil man weggestoßen wird. Und natürlich auch ein wenig der Einsamkeit der Natur, denn ja, ich musste unweigerlich beim Buchlesen an einen wunderschönen Winterspaziergang in einer Schneelandschaft denken, in der man einsam und allein seinen Gedanken nachgehen kann, während die Sonne sich in den Schneekristallen spiegelt. Doch wir geraten auch in Familienbande, werden uns durchs Buch bewusst, was Familie einem bedeuten kann, und dass Familie nicht immer die Menschen sein müssen, die mit uns blutsverwandt sind, und die uns weniger familiär erscheinen, wie Menschen, die es gut mit uns. Die Frage nach Familie und Zusammengehörigkeit ist ein ganz zentrales Thema im Roman, das einem beim Lesen selbst dazu bringt, sich irgendwie zu hinterfragen. Denn eigentlich sollte Familie einem Liebe, Schutz, Geborgenheit, und Auffangstation in allen Lebenssituationen sein, und einem vor allem Unheil der Welt beschützen, so dass man immer etwas hat, an das man noch glauben kann, wenn alles andere im Leben schiefläuft. Leider ist das eben nicht in allen Familien so. Das Buch spielt in der Gegend um Schiltach und Vierbrücken, am titelgeben Liliensee. Wenn ich diese Gegend also kennen würde, würde mir sicherlich vieles bekannt vorkommen. So haben mich die Beschreibungen der Umgebung, der Natur, der Landschaft, des Schnees, und die Atmosphäre der Jahreszeit eingefangen, und direkt an diesen Ort gebracht. Zumindest in meinem Kopf. Heißt….die Orte wurden so schön beschrieben, dass man sich mal wieder wegträumen konnte auf Waldwege, Berge, und in die wunderbare Natur. Die Klarheit des Sees ist symbolisch gesehen sehr schön, denn Lisa findet in genau dieser Natur, ihrer Abgeschiedenheit und Ruhe, Klarheit über ihre Vergangenheit und auch Gegenwart, und erkennt, was sie eigentlich im Leben will, und was wichtig ist. Was ich ebenfalls wundervoll finde ist der Schreibstil, die Umschreibungen, und die Bilder, die beim Lesen im Kopf entstehen. Fast wie bei einem Bild, welches man ansieht, während man den Roman liest, und die Leinwand sich mit Bildern und Farben füllt, je mehr der Text und damit die Geschichte voranschreitet. Der Geist der damaligen Zeit zieht durch das Buch. Woher ich das weiß? Fragt nicht! Aber wenn man Familienmitglieder hat, die in dieser Zeit gelebt haben, dann bekommt man automatisch immer gesagt, wie schön und unkompliziert, und so viel wärmer die Zeit damals war, wie liebenswürdig die Menschen waren, und dass es keine allgemeine Kälte gab. Was natürlich nicht verallgemeinert werden darf. Damals gab es böse und gute Leute, genau wie heute. Und trotzdem wird der Roman begleitet von einer bestimmten Wärme, in der man sich wohlfühlt, und sich während des Lesens beschützt fühlt. Wie eine kleine Zeitglasglocke, unter der man sicher ist, und die einen eine Zeitreise machen lässt, in der man durch das Buch wandeln darf. Somit ist das Buch zeitlos, die Probleme die gleichen, der zwischenmenschliche Bereich ohne Veränderung. Das gibt einem ein Gefühl von Beständigkeit, und das ist schön. Und dann weht durch das Buch noch der Winterwind einer anderen Zeitepoche, der 60 er, selbst wenn diese gar nicht so weit von uns entfernt liegt. Man spürt, dass die Menschen anders gelebt haben, als wir in unserem Heute. Und doch sind die Probleme bei den grundlegenden Dingen wie Liebe, Gefühle oder Familie dieselben. Es strahlt einen gewissen Charme aus. Spielend in der Vergangenheit, gekleidet in die Probleme, die allgegenwärtig in allen Zeiten sind. Sowohl in unserer, als auch in der ferneren Vergangenheit. Man wird durch das Buch in eine Zeit zurückgeworfen, in der alles etwas langsamer voranging als es heute der Fall ist, die aber nicht unbedingt altmodisch erscheint. Denn manchmal ist dieses Langsame vorsichtige doch durchaus schöner anzusehen, als das schnelle Vorpreschen in Liebesdingen, das in seiner Schnelllebigkeit dann genauso schnell wieder zu Ende sein kann. Ich mag diese langsamen Annäherungen in Geschichten, die nicht mit Lichtgeschwindigkeit voranschreiten. Diese Atmosphäre der Vergangenheit ist angenehm, ohne uns direkt darauf hinzuweisen, dass sie schon vergangen ist. Der christliche Aspekt ist nicht vordergründig im Buch zu finden, weil sich einfach auch Fragen stellen, die sich jeder Mensch stellen sollte. Wie zum Thema Familie, Zusammenhalt, und wie wir mit Menschen umgehen, über die wir nicht viel wissen. Das hat mir sehr gut gefallen. Zum Beispiel wird das Vertrauen auf Gott angesprochen, aber nicht in derlei Ausmaß, dass es einen stört. Lisa selbst ist durch die Nichtliebe ihrer Mutter bei ihrer Großtante aufgewachsen, die früher Nonne war, und deren Gedanken im Buch gefallen mir ausgesprochen gut, weil sie allgemein gute Ratschläge sind für alle Menschen. Und wer fühlt sich nicht manchmal alleine, und spricht zu irgendwem, oder gar mit sich selbst? Deswegen ist das Buch für alle lesbar. Ob man an Gott glauben mag, oder nicht. Das Buch hat ca. 220 Seiten, was nicht viel ist. Und trotzdem fehlt es der Geschichte an nichts, nichts wurde ausgelassen, alles scheint komplett, und genau so, wie eine Geschichte sein sollte, mit ihrem Anfang, ihrem Ende, und dem, was dazwischen erzählt wird. Der Roman fließt nicht einfach nur so dahin, wie ein ruhiger Fluss, steht aber auch nicht still, wie ein See. Irgendwie ist er sogar sehr tiefgehend, vielleicht ja sogar noch tiefgehender, als besagter See auf dem Cover. Denn ich kann die Geschichte weder als leicht dahinplätschernd und locker flockig verbuchen, noch als super ernste Geschichte, die einem keine Freude bietet. Irgendwie ist es eine Symbiose aus humorigen Stellen, die auch leicht ins Nachdenkliche schlittern. Wir haben eine Liebeserklärung an den See. Ruhe, Geborgenheit und menschliche Wärme, gegen Kälte, Anonymität, Einsamkeit, und Lärm der Großstadt, die Wohnort, aber kein Zuhause und keine Heimat ist, wenn man auch dort einsam ist. Ich gebe zu, was mir gefallen hat, das war die heile Welt, die aber nicht überdröselt war. Manche Zeiten bedarf es eben einem Roman zum Wohlfühlen, und das habe ich definitiv getan. Und Hurra. Wer drei Söhne hat, muss sie natürlich auch alle unter die Haube bringen. Nicht wahr, liebe Charlotte? Na gut. Muss man natürlich nicht. Aber es wäre schön, denn das würde bedeuten, dass es noch weiteren Lesestoff der Reihe rund um die Familie Vogel geben würde. Ich bin gespannt und harre der Dinge die da kommen! :). Denn dies ist auch eine Verkupplungsgeschichte, oder eher ein Versuch dessen, aber nur ganz leicht. So leicht, dass man es gar nicht merkt. Was man merkt, sind Verwicklungen, Verwechslungen und Geschehnisse. Und das ist zum einen sehr tiefgehend, zum anderen aber auch sehr humorvoll. Denn in manchen Situationen im Buch kann man einfach nur einen Schelm finden, der einen zu herzhaftem Schmunzeln veranlasst. Doch wie schon erwähnt ist das Buch kein reines Buch einer humorigen Geschichte, sondern auch ein sehr hoffnungsvolles, mit einer Geschichte, die einen definitiv zum Nachdenken anregt und das über eine Menge Dinge. Familie, Alleinsein, Vertrauen, Misstrauen, Respekt, Beständigkeit, Zusammenhalt, Familienbande, Zugehörigkeit und das Gefühl, ungewollt und nicht willkommen zu sein. Oder eben umgekehrt dann sich auch wieder willkommen und geliebt zu fühlen. Von einer Liebe in allen Formen. Nicht nur der Liebe in Beziehungen, sondern auch der familiären Liebe, der Geschwisterliebe, der Liebe zu Menschen, die uns zugehöriger sind als unsere Blutsverwandten, und wahrscheinlich auch ein kleines bisschen der Liebe zu Gott, oder einer Macht, die ihm gleichgestellt ist. In welcher Form, oder an wen auch immer man glaubt in Zeiten, in denen man Hoffnung braucht, und sich alleine fühlt. Auch haben wir viele Dinge, die nicht ausgesprochen werden, im Grunde genommen im ganzen Roman. Diese sorgen dann für Missverständnisse, Voreingenommenheit, Vorurteile, und, dass jeder von Allem andere Vorstellungen hat, die sich in seinem Kopf und in den Gedanken bilden. Und DAS wiederum führt……..wieder zu Verwicklungen. Die richtig schönen der Art, wo man sich als Leser gerne gegen den Kopf schlägt, und alle rütteln und schütteln möchte, um sie auf Dinge zu stoßen, die ihnen irgendwie verborgen bleiben, ob ihrer eigenen Gedanken und Denkweisen. Nicht das hier jemand dumm wäre. Nein. Vielmehr denken manche ZU VIEL. Und falsch. Aber wer wäre ich, Denkweisen als falsch zu beurteilen? Alles hat seinen Grund und seine Wege. Auch hier. Selbst wenn der Weg nicht gradlinig ist, sondern mit einigen Umwegen, die einen oftmals auch in verschneite Wälder führen. Das Buch agiert hierbei als Puzzle, oder gar als Kartenspiel, Zug um Zug, oder auch Puzzleteil um Puzzleteil, wächst hier etwas ganz langsam zusammen, das man als stiller lesender Beobachter miterleben kann. Robert und auch Lisa, haben in der Vergangenheit seelische Wunden erlitten, und diese tragen sie nicht heraus in die Welt, sondern verheimlichen sie, so gut es geht. Und wieso sollten sie sich gegenseitig auch ihre Leidensgeschichten erzählen? So kommt es, dass beide nur das sehen, was sie wollen, und so entstehen gegenseitige Vorurteile. Lisa sieht in Robert den unfreundlichen Kerl, der irgendwas gegen sie hat, und Robert wiederum sieht in Lisa ein Mädchen, das sich in seine Familie hineinschleicht. Wir als Außenstehende sehen das besser, die beiden in ihrer eigenen Geschichte nicht. Und so, mit etwas Distanz, und trotzdem Nähe zu den Figuren, erkennen wir die Geschichte als das, was es ist. Verwechslungen und Irrungen, und ganz großes Unwissen in Form von Vorverurteilungen, ohne dass man sich besser kennt, und es erst mal auch nicht will. Wir sehen: Ehrlich muss man sein, damit man sich gegenseitig kennenlernen kann. Oh, und zugreifen, wenn das Glück direkt vor einem steht, anstatt zu zögern. Und dann wackeln die Ängste, und zerbröseln, gehen nicht ganz weg, aber dafür die Vorurteile, die sich ebenfalls in Staub verwandeln. Und weil die Geschichte mit dreierlei Dingen zu tun hat, dachte ich mir, das heutige Rezensionslied könnte passen. Wir haben die Einsamkeit, die einen erfüllen und durchdringen kann, wir haben die Heimat, die ein Ort oder ein Mensch für uns sein kann, und wir haben den See, den sogar auf dem Cover, den ich einfach mal mit einem besungenen Meeresgewässer vergleiche :D. Weil es dann auch noch in die Zeit des Buches passt, da es aber auch zeitlos ist, fand ich die Vorstellung schön, jemand im Buch könnte vielleicht dazu tanzen :): „Lonely rivers flow, to the sea, to the sea. To the open arms of the sea, yeah. Lonely rivers sigh, "Wait for me, wait for me". I'll be coming home, wait for me.“