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mrsrabe

Posted on 17.2.2021

Es sollte ein aufregender Tag sein für die 13-jährige Elissa, an dem sie bei einem großen Schachturnier für Jugendliche teilnimmt. Doch als sie während einer Pause kurz zum Auto ihrer Mutter läuft, wird sie in einen Kleintransporter gezerrt. Benommen wacht sie einige Zeit später in einem dunklen Keller angekettet auf. Ihr Entführer verlangt unbedingten Gehorsam von ihr und stellt eine Videonachricht von ihr online. Während die Polizei eine großangelegte Suche nach dem entführten Mädchen startet, bekommt Elissa in ihrem Verlies Besuch von Elijah, einem Jungen der offensichtlich in der Nähe wohnt, ihr aber nicht helfen kann. Der Mädchenwald von Sam Lloyd ist das Thriller-Debüt des britischen Schriftstellers Sam Lloyd. Schon als Kind hat sich der Autor Geschichten ausgedacht und Verstecke im Wald gebaut. So hat man bei diesem Buch auch ein bisschen das Gefühl, in einem sehr unheimlichen Märchen gelandet zu sein. Elissas düsteres Gefängnis mitten im Wald unter der Erde wird für Elijah zum „Knusperhäuschen“, er beginnt Elissa „Gretel“ zu nennen. Wir erfahren die Geschichte in drei Erzählsträngen. Da ist einerseits Elissa, die sich trotz ihrer verzweifelten Lage ihr durch das Schachspiel geschulte analytische Denken bewahrt hat. Sie baut strategisch Vertrauen zu Elijah auf. Auch ihrem Entführer wirkt sie intelligenzmäßig einiges voraus. Hier hat der Autor wirklich eine sehr willensstarke und bewundernswerte Protagonistin kreiert. Aus der Sicht von Detective Superintendent Mairéad MacCullagh, der leitenden Polizistin, nehmen wir teil an den Ermittlungsarbeiten, aber auch an ihren eigenen privaten Problemen (die für den Verlauf der Handlung nicht nötig sind und daher ein bisschen zu viel Drama in das Geschehen bringen). Schließlich Elijah: warum nur gibt man einer Hauptfigur diesen Vornamen, wenn der Originaltitel das Wort „wood“ enthält? Hier springt bei mir gleich eine ganz starke Assoziationskette bei mir an. Aus Elijah wird man zunächst nicht schlau. Er ist klug, mag Bücher und schöne Worte, aber er kennt keine modernen Geräte wie Smartphones oder Tablets. Er fühlt sich zu Elissa, seiner „Gretel“ hingezogen, ist aber nicht in der Lage, ihr zu helfen. „Das hier ist die Wirklichkeit, Elijah. Alles. Du bist wirklich, ich bin wirklich. Meine Mum ist wirklich. Meine Familie. Dieser Ort ist ebenfalls wirklich. Ich will hier nicht sein, und ich hoffe, dass ich hier nicht sterben muss.“ Was wirklich ist und was nicht, das beginnt bald, sich zu vermischen. Bis es zu einer Wendung – die nicht ganz so unerwartet ist – kommt. Da hat der Autor schon sehr gut und spannend erzählt aber eben auch das Rad nicht neu erfunden. Nicht alles an der Konstruktion dieses Thrillers fand ich plausibel und die Eskalation am Ende des Buchs war mir einen Tick zu viel.

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