Merle
Danke an NetGalley und dem S. Fischer Verlag, die mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben. Meine Meinung ist davon unabhängig. Ich habe den Klappentext erst nach dem Beenden des Buches gelesen. Ich habe Der Zopf von Laetitia Colombani geliebt, und wusste nur, dass ihr neues Buch in Paris spielt. Also wollte ich es lesen. Meiner Meinung nach nimmt der Klappentext viel zu viel vorweg… also hier meine kurze Zusammenfassung des Buches: Solène ist eine erfolgreiche Anwältin. Bis sie nach einem Zwischenfall mit einem Klienten einen Nervenzusammenbruch erleidet, und von ihrer Arbeit bis auf weiteres beurlaubt wird. Um ihrer neu gewonnenen Freizeit einen Sinn zu geben, beginnt sie freiwillig als „Öffentlicher Schreiber“ in einem Frauenhaus zu arbeiten. Sie ahnt nicht, wie sehr diese Entscheidung ihr Leben verändern wird. Neben der Perspektive von Solène gibt es außerdem Kapitel aus der Sicht von Blanche Peyron, im Paris der ~1920er Jahre. (Blanche Peyron ist eine Person, die wirklich existiert hat. Ich empfehle euch allerdings nur nachzuschauen, wofür sie bekannt war, wenn euch kleine Spoiler für diese Geschichte nicht stören!). Wie bei „Der Zopf“ schafft Laetitia Colombani es, die beiden Zeitstränge miteinander zu verknüpfen, und einem zum Weiterlesen zu animieren: immer, wenn es in einer Zeitebene unglaublich spannend wurde, dann kam ein Wechsel zu der anderen Perspektive. Das Thema des Frauenhauses fand ich auch sehr spannend. Wir lernen viele verschiedene Bewohnerinnen kennen, alle mit verschiedenen, und auch tragischen Schicksalen. Mir persönlich waren es zu viele Hintergrundgeschichten für nur knapp 230 Seiten. Meiner Meinung nach hätte man entweder weniger Frauen genauer vorstellen sollen, oder das Buch länger machen sollen. So ist es etwas gequetscht und voll. Gewöhnungsbedürftig fand ich den Stil des Buches. Es wurde viel erzählt und beschrieben, und es gab wenig direkte Rede. Einerseits fand ich es schön. So wurde eine gute Atmosphäre erschaffen, und die Umgebungen und innere Gefühlslage von Solène wurde ausführlich beschrieben. Allerdings erzeugt dies in Bezug auf die Frauen des Frauenhauses eine Distanz. Ihre Probleme wurden nicht als Dialog, sondern im Fließtext durch die dritte Person erzählt. Das Buch hat mir wirklich sehr gut gefallen, und trotz meiner Kritikpunkte habe ich mit den einzelnen Frauen und Solène mitgefiebert. Allerdings war es durch die Kürze und den Schreibstil doch schwierig, sich in die Frauen hineinzuversetzen. Wer also Bücher mit viel Dialog braucht, dem würde ich das Buch nicht empfehlen. Aber es schadet trotzdem nicht, sich über Blanche Peyron zu informieren. Insgesamt bekommt das Buch 4-4,5 Sterne von mir.