Gabriele
Im dritten Teil ihrer Autobiografie entwickelt sich Tove Ditlevsen zu einer Person, die vor allem auf ihr eigenes Wohl bedacht ist. Sie heiratet den Verleger der Zeitschrift, in dem ihr erstes Gedicht veröffentlicht wurde. So ist sie nicht mehr darauf angewiesen, selbst Geld zu verdienen und kann sich (heimlich) ihrem ersten Roman widmen. Mit Hilfe ihres Mann findet sie einen Verlag und bekommt einen Namen in der Schriftstellerwelt. Sie wird zur Vorsitzenden einer Vereinigung junger Dichter und findet einen neuen Liebhaber. Mit ihm bekommt sie eine Tochter, verliert aber nach der Geburt für längere Zeit jegliche Libido. Aus diesem Grund will sie ihre zweite Schwangerschaft abbrechen. Dazu benötigt sie einen Arzt, der schließlich ihr dritter Mann wird. Er spritzt ihr Medikamente, die sie in eine wohlige Stimmung versetzen und von denen sie schließlich abhängig wird. Im zweiten Teil dieses Buches schildert die Autorin ausführlich die Umstände, die sie in die Sucht trieben und auch den schwierigen Weg wieder hinaus. Jetzt geht der ursprünglich vorhandene Humor ihrer Aufzeichnungen verloren. Sehr ehrlich berichtet sie, wie sie immer mehr Spritzen benötigt, um den Tag zu überstehen. Anfangs half ihr noch eine Umstellung auf Methadontabletten beim Schreiben, doch nach Fertigstellung des Romans verlor sie jeglichen Halt. Sie magerte ab und fand erst kurz bevor es zu spät war den Weg in die Klinik. Lange durfte sie ihre Kinder nicht sehen (inzwischen waren es drei) und auch, als sie wieder zu Hause war, gelang es ihr nicht, die Abhängigkeit ganz abzulegen. Das zu lesen ist erschütternd! Aus der ehemals taffen jungen Frau, die konsequent ihren Weg verfolgte, wurde eine völlig hilflose Person. Ihre Schwierigkeiten, sich die Sucht selbst einzugestehen, beschreibt sie ebenso ehrlich, wie den fast unmöglichen Weg, wieder herauszukommen. Diese Offenheit hat mich fasziniert. Ein Buch, das ich jedem nur ans Herz legen kann. Noch nie habe ich einen so mitreißenden Bericht über die Entstehung einer Sucht gelesen, die daraus entstehenden Konsequenzen und die Unmöglichkeit, wieder ins normale Leben zurückzukehren.