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ypb

Posted on 14.2.2021

Bevor ich mit meiner Rezension beginne, möchte ich dem Autoren rechtherzlich dafür danken, das ihr sein Werk als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat. _________________ - Erzählerperspektive - Vergangenheitsform _________________ Der Einschnitt der Geschichte trifft uns wie eine scharfe Klinge in die Brust. Ohne Erbarmen und Gnade starten wir in das Geschehen und man wirft uns gnadenlos in die Situation, die der bisherigen Protagonistin Tamara im Endeffekt das Leben kostet. Nicht weil sie diesen Übergriff nicht überlebt, nein, sondern weil sie auf Dauer mit dem erlebten nicht zurechtkommt. Einige Tage später nimmt sie sich auf verhängnisvolle Art und Weise das Leben. Die Welt der kleinen Familie, bestehend aus Mutter und Schwester, bricht zusammen. Nach diesem sensiblen Vorspiel, befinden wir uns jetzt mit der Protagonistin Lorena wieder, die große Schwester der verstorbenen Tamara. Sie studiert Psychologie, möchte wahrscheinlich selbst all das aufarbeiten, was ihr damals als kleine Kind geschehen ist. Vorwürfe fließen durch ihren Kopf, schreien sie förmlich an und wollen gar nicht mehr schweigen. Aber sie war doch noch ein Kind....wie hätte sie all dies verhindern sollen? Um anderen Leuten und Familien solch ein Schicksal zu ersparen, entschloss sie sich dazu Psychologie zu studieren, ein sinniger Lebenseinschnitt, den mal nur all zu gut nachempfinden kann. Doch plötzlich und völlig unvorhersehbar, tritt der Peiniger zurück in das Leben der kleinen noch verbliebenden Familie. Und diesmal soll Lorena das Ziel des kranken Psychopathen sein. All die Jahre lebte sie mit der Angst, er könnte sich wieder zeigen, ihr erneut Leute nehmen die sie liebt, doch der Wille und der Hass gegenüber dieser fremden Person wachsen ins unermesslich und so macht sie sich auf die Suche nach diesem Menschen, der das Leben ihrer Schwester und nun das ihre zerstören will. Im Namen ihrer Schwester würde sie alles tun, um ans Tageslicht zu bringen, wer ihr dies angetan hat. In meinen Augen werden wir voller Hochspannung und direkter Aktion in das Buch geschmissen. Ohne lange um den heißen Brei zu reden liegen wir entblößt und würdelos auf dem kalten Boden, eine Situation mit der man so niemals konfrontiert werden möchte. Und doch geschieht dieses Grauen, genau in diesem Moment dort draußen. Zu viele junge Frauen erleben es, zu viele müssen danach sehen wie sie mit dem erlebten zurechtkommen und andere schaffen es schlicht und einfach nicht. Sie geben auf, versinken im Trauma und verabschieden sich von ihrem jungen Leben. Tragisch und absolut nicht nachvollziehbar. Nachdem wir das Schicksal der jungen Tamara miterlebt haben, schlüpfen wir in die Rolle der Schwester. Ab hier beginnt für mich ein Buch, das sehr wohl in gewisser Weise seine Spannungsmomente mit sich bringt, aber für mich einfach nicht genug sind. Lange Zeit lässt man uns stehen, alles von außen beobachten und doch kommt nicht wirklich viel dabei rum. Wie soll eine einzelne Person auch voller Tatendrang einer gefühlten Thriller auf die Beine stellen? Als Protagonistin fast alleingelassen. Natürlich tauchen im Verlauf auch andere Persönlichkeiten auf, die Tiefgang und Emotionalität in die Geschichte bringen und doch wie bereits erwähnt, hat es auf Dauer nicht dazu gereicht mich durchgehend abzuholen und auf dem völligen Spannungslevel zu halten. Und doch gibt es einen Punkt der mehr als nur ganz besonders FÜR den Autoren spricht. - Der Schreibstil ! Ich kann es nicht deutlicher betonen liebe Leser. Der Schreibstil des Autoren ist so WAHNSINNIG intensiv. Alles was man für uns niederschreibt verschwimmt in einem Bild. Detailreiche Vorstellungen und Emotionalität sind Passagenweise der absolute Hammer. Man verliert sich und auch wenn dieses Werk in meinen Augen gewisse Schwachpunkte in Sachen Spannung hat, so macht dieser Schreibstil so einiges wieder gut. Denn dieses Buch, habe ich trotz allem beinahe in eins verschlungen. Man hat man abgeholt und erst an der Endstation wieder abgeladen. In meinen Augen ist aufgrund der Sensibilität der Thematik eine Gänsehaut garantiert. Ich finde es bewundernswert mit was für einer vorsichtig und mit was für einem Feingefühl der Autor sich an dieses Thema gewagt hat. Viel zu oft gehen bestimmte Kleinigkeiten unter, oder es entwickelt sich irgendwie in die falsche leserliche Richtung und doch hatte ich hier sehr stark das Gefühl, das der Autor sich sehr wohl mit dem auseinandergesetzt hat, was er hier tut. Zudem wird die gelungene Thematik mit einer bezaubernden Wahl des Buchtitels unterstrichen: Mädchenseelen. Klingt in meinen Augen so zart und sensibel, schon allein hierbei hat man mir eine kleine Gänsehaut beschert. Ich finde es wunderbar wenn der Autor bis ins kleinste Detail am Ball ist und sich völlig reinhängt in das was er tut, denn zum Schluss soll ja schließlich auch das große Ganze stimmen und genau dies war hier der Fall. Ein zerbrechlicher Teil einer kleinen Mädchenseelen, zerstreut auf dem kalten Boden der Realität und des Wahnsinns. Gegen Ende kommt dann für meinen Geschmack endlich wieder etwas mehr Spannungsbogen auf, der sich durch die letzten Kapitel auch wirklich tapfer hält und sich nicht sofort wieder dankend von uns verabschiedet. Endlich erwarten und verstärkte " Psycho - Aspekte " die den " Killer " oder besser gesagt ehemaligen Täter betreffen. Er spielt seinen Plan weiter aus, hat wirklich tolle krankhafte Tricks im Petto und steht im großen Finale mit unserer Protagonistin. Momente, die einen vor Ekel erschaudern lassen. So habe ich das gerne. Und doch muss ich die Kehrseite wieder erwähnen, denn der eigentliche Twist und der herabeigeschworene " WTF - Moment" ist leider nicht der, auf den ich erhofft hatte. Viel mehr wirkte die Basis doch etwas ausgelutscht und veraltet. Hierbei hätte ich mir etwas mehr Individualität gewünscht. Einen Moment der einen zum Finale wirklich denken lässt: Wie krass ist das denn bitte ? Sicherlich ist das Ende trotzdem ein Ende, das vielen Lesern dort draußen gefallen hat. Besonders wenn man sich mit der Thematik Thriller, Psychothriller etc. sonst nicht all zu viel auseinandersetzt. Bist du ein erfahrener Leser dieser Genres, dann könnte auch dich der Twist etwas unbefriedigt zurücklassen und trotzdem lebt das Buch schwankend von ganz anderen Stärken und der Autor holt dich auf eine andere, ganz besondere Weise ab. Die Charaktere haben Tiefgang, sie leben und atmen in deinem Kopf. Sie werden ausgeschmückt durch Gefühle, Verhaltensweisen, Entscheidungen und einer Vergangenheit. Sie besitzen Tatendrang und ein liebevolles Miteinander, denn auch wenn man es gar nicht glauben mag, der Autor hält für uns auch eine kleine Liebelei bereit, die sehr wohl etwas Abwechslung durch das Geschehen jagt. Demnach ziemlich Fassettenreich und gelungen. Tatsächlich gab es für mich noch einen winzigen Aspekt der mich komischerweise mehr als nur gestört hat. Corona ! Warum Corona ? Ok, vielleicht einer kleiner Punkt in Sachen " Up To Date " und trotzdem hat es mich total gegrault. Überall erschüttert uns dieses Thema, überall erscheint es beinahe schon etwas totgetreten und dann ärgert es mich auch noch in meiner literarischen Zuflucht? Hat mich schlicht und ergreifend etwas geärgert, muss ich ganz klar sagen. Dies basiert aber lediglich auf eigener Empfindung und zählt natürlich zu keinem wirklich negativen Punkt für das Buch. Fazit: Was für eine Achterbahn in Sachen Schwächen und Stärken. Ihr merkt schon es fiel mir etwas schwer eine passende Bewertung zu finden. Da dieses Buch für mich ungeplante andere Stärken entwickelte, als wie ich sie erwartet hatte. Der eigentliche Psychothriller - Flair, war leider nicht der, den ich mir gewünscht hätte. Dafür fehlte mir auf Dauer der Spannungsbogen. Gegen Ende sah dies schon wieder etwas anders aus, es wurde krank, unerbittlich und gut durchdacht. Der Schreibstil und die Charakterentwicklungen sind in meinen Augen genau das, was der Autor ohne Ausnahme zu etwas ganz besonderen macht. Ihr werdet abgeholt, festgehalten und gnadenlos wieder ausgespuckt sobald es das Buch geschlossen habt. Wie bereits erwähnt, wer kein trainierter Leser dieses Genres ist, nimmt sicherlich eine ganze Menge daraus mit. Wer jedoch öfter hier unterwegs ist, der sollte vielleicht seine Erwartungen auf andere Dinge fokussieren und schauen inwiefern er die Spannung und das kranke Grauen vermisst. Denn auch psychologische Aspekte sind gegeben, aber leider nicht in dem Ausmaße und er Intensivität , wie ich sie mir gewünscht hätte. Ein wunderbar solider Psychothriller, mit lieb gemeinten Schwächen und Stärken. Von mir gibt es 3,5/5 Fledermäuse.

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