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Buchdoktor

Posted on 13.2.2021

Mit Anfang 20 heiratet Tove Ditlevsen zunächst den 30 Jahre älteren Viggo Frederik Møller, der als Herausgeber einer Literaturzeitschrift ihre Texte veröffentlichte und für sie das Tor zur Welt der Literatur darstellte. Sie ging diese Ehe ihrer Mutter zuliebe ein, wie sie schreibt. Ditlevsen schließt drei weitere Ehen, aus denen jeweils ein Kind hervorgeht (*1943, 1945, 1954). Beginnend mit ihrem 1939 veröffentlichten Gedichtband und ihrem ersten Roman 1941 war sie als Autorin sehr erfolgreich. Aus heutiger Sicht frage ich mich, wie ihre Beziehungen, Schwangerschaften, zu stillenden Babys und gesundheitlichen Krisen mit ihrer Autorentätigkeit überhaupt zu vereinbaren waren. Obwohl Ditlevsen ihre Bücher erfolgreich verkaufen konnte, ließ sie sich von ihren Partnern als Frau und Autorin unqualifiziert herunterputzen. Eine Atempause bietet ihr erst der Umzug in ein Sommerhaus zusammen mit ihrer Freundin Ester und Baby Helle. In ihrer 3. Ehe mit dem Arzt Carl T. Ryberg verstrickt Ditlevsen sich in eine komplizierte Co-Abhängigkeit mit dem schwer wahnhaften Mann, der sie mit illegal beschafften Drogen gefügig macht. Das erwartete Glücksgefühls stellt sich jedoch nicht ein, der Flow durch stetes Schreiben lässt sich nicht durch Drogen simulieren. Ditlevsens Abstieg in die Sucht, den ihre kleine Tochter miterleben muss, wird von ihr schmerzhaft klar und nüchtern erzählt. Mit dem Wissen, wie sie als Arbeiterkind von klein auf, ohne Rollenvorbild um ihre Berufung als Autorin kämpfte, stellen sich mir die Ereignisse der ersten beiden Bände (die 2021 zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt wurden) nach der Lektüre des Abschlussbandes in einem anderen Licht dar. Dieser dritte Band erschien in Deutschland bereits 1980 und 1994 unter dem wenig sensibel gewählten Titel „Sucht“, das dänische „gift“ bedeutet verheiratet. „Abhängigkeit“ trifft die hoch komplizierten Männerbeziehungen Ditlevsens schon eher. 1980 war die Zeit zwar für Frauenthemen reif, aber vermutlich noch nicht für den kritischen Blick auf Co-Abhängigkeit und toxische Beziehungen.

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